Eine Physiotherapeutin empfiehlt: So stärkst du deinen Beckenboden
Gesundheit und Wellness
Eine zertifizierte Physiotherapeutin erklärt, wie Beckenbodenübungen Beschwerden lindern und das Wohlbefinden steigern können.
Wenn du jemanden bittest, die Körperteile zu nennen, die diese Person kräftigen möchte, werden dir wahrscheinlich eine ganze Reihe von Muskeln wie Bizeps-, Trapez-, Brust- und Gesäßmuskeln genannt. Es gehört aber noch eine weniger bekannte Muskelgruppe in diese Liste: der Beckenboden.
Er befindet sich an der Unterseite des Beckens und besteht aus einem Netz von Muskeln und Faszien, die von hinten nach vorne und von einer Seite zur anderen verlaufen, sagt Heather Jeffcoat, Ärztin für Physiotherapie, die auf sexuelle Dysfunktionen, Schmerzen und Inkontinenz spezialisiert ist. "Unter anderem stärken diese Muskeln die Beckenorgane, ermöglichen die richtige Funktion der Schließmuskeln, sorgen für eine aufrechte Körperhaltung und unterstützen die Sexualfunktionen", sagt sie.
Wie alle Muskeln im Körper funktionieren auch die Beckenmuskeln am besten, wenn sie kräftig sind. Deshalb haben wir sie darum gebeten, die besten Übungen zum Kräftigen des Beckenbodens vorzustellen.
Im Folgenden findest du heraus, wie du deinen Beckenboden trainieren kannst und wann die Übungen für dich am besten sind.
Was genau ist die Funktion des Beckenbodens?
Er wird oft als eine Art Stützgewebe missverstanden, besteht aber aus beeindruckenden 14 Muskeln, die den Beckenboden kräftigen. Dazu gehören auch die Core-Muskeln. Die wichtigste Funktion dieser Muskeln ist die Stabilisierung der Beckenorgane (zum Beispiel Blase, Enddarm und Uterus), sagt Jeffcoat.
Der Beckenboden hat nicht nur eine wichtige Funktion für deine Reproduktions- und Ausscheidungsorgane, sondern sorgt auch für deine aufrechte Haltung, unterstützt bei Geburten, ermöglicht Blutzufuhr und stärkt das lymphatische System des Körpers, sagt sie.
Die häufigsten Ursachen und Anzeichen von Fehlfunktionen des Beckenbodens
Damit deine Beckenbodenmuskeln optimal funktionieren, müssen sie sich komplett anspannen und lockern können, sagt Jeffcoat. Durch die Möglichkeit, zwischen den beiden Funktionen zu wechseln, können wir beispielsweise unser Ausscheiden von Exkrementen steuern.
Aus unterschiedlichen Gründen wie Geburt und Menopause bis hin zu Darmträgheit und chronischem Stress haben viele Menschen leider eine Beckenbodenmuskulatur, die nicht optimal funktioniert. Studien haben ergeben, dass 24 Prozent der Frauen und 16 Prozent der Männer an einer Fehlfunktion des Beckenbodens leiden.
Manche haben Beckenbodenmuskeln, die sich wie vorgesehen zusammenziehen, aber nicht vollständig entspannen können. Diese Personen haben nicht die nötige Muskelkraft für die Kontraktion, sagt Jeffcoat, was normalerweise auf chronischen Stress oder häufiges Zurückhalten von Urin zurückzuführen ist. Dies wird oft als übermäßig aktiver und hypertonischer Beckenboden diagnostiziert und kann zu Inkontinenz, Verstopfung sowie chronischen Becken-, Bauch-, Hüft- und Gesäßschmerzen führen.
Bei anderen sind die Muskeln ständig entspannt, weil sich das Gewebe ihrer Beckenbodenmuskulatur nicht zusammenziehen kann, erklärt Jeffcoat. Dies bewirkt ähnliche Symptome wie überbeanspruchte Muskeln, zum Beispiel Inkontinenz und Beckendruck sowie verringertes vaginales Empfinden und unerklärliche Blasen-, Bauch- und Beckenschmerzen, sagt sie.
Wie wird die Fehlfunktionen des Beckenbodens diagnostiziert und behandelt?
Wenn du Symptome in Verbindung mit einem angespannten oder geschwächten Beckenboden bei dir feststellst, solltest du dich zunächst an deine Ärztin oder deinen Arzt oder eine:n Physiotherapeut:in für Beckenbodenbeschwerden wenden.
Warum? Die Behandlung ist entsprechend den verschiedenen Beckenbodenbeschwerden unterschiedlich. Wenn die Muskeln als zu entspannt empfunden werden, sollten Übungen zur Kräftigung zum Behandlungsplan gehören, erklärt Jeffcoat. Wenn die Muskeln sich nicht entspannen, können Stretching-Übungen ein besserer Einstieg für die Behandlung sein, sagt sie.
Wenn du Beschwerden im Becken hast, solltest du die Übungen unbedingt mit einer kompetenten Person absprechen, damit du nicht die falschen machst.
3 Übungen für einen starken Beckenboden
Alle Personen mit Beckenboden, also wirklich alle, profitieren laut Jeffcoat von Beckenbodenübungen. Hier erfährst du alles über drei Beckenbodenübungen, die du in dein Trainingsprogramm aufnehmen kannst.
1.Kegel
Bei Übungen für den Beckenboden denken viele hauptsächlich an die Kegelübung. Zur Erinnerung: Bei einer Kegelübung werden die Beckenbodenmuskeln über einen längeren Zeitraum angespannt, bevor sie wieder vollständig entspannt werden.
Man hat immer genug Zeit und Platz für diese Übung, so Jeffcoat. Für alle, die ihre Beckenbodenmuskulatur kräftigen und anspannen möchten, kann die Kegelübung sehr effektiv sein.
Sie eignet sich aber nicht für alle. Die Kegelübung kann bei Personen, die verkürzte oder zu angespannte Beckenbodenmuskeln haben, die Symptome verschärfen, erklärt sie. Wenn du die Kegelübung machst, während dein Beckenboden zu stark angespannt ist, kann man das damit vergleichen, als würdest du deine Waden anspannen, wenn du einen Muskelkater hast.
So geht's: Leg dich auf den Rücken, wobei deine Knie gebeugt sind und deine Füße auf dem Boden bleiben. Stemm dich beim Ausatmen hoch und spann deine Beckenbodenmuskulatur an. Das Hochstemmen ist dabei sehr wichtig, da du sonst verkrampfst. Es kann helfen, wenn du es dir vorstellst wie Einatmen durch einen Strohhalm, aber durch deine Genitalien.
Halt diese Position zwei Sekunden lang und lockere sie dann. Wiederhole dies mindestens zehnmal.
2.Clam-Shells in der Seitenlage
Die Kegelübung kann zu einem effektiven Behandlungsplan für Personen mit Beckenbodenschwäche gehören, aber sie alleine reicht nicht aus. Sie muss außerdem mit Übungen zur Kräftigung der Hüfte und des Core wie Clam-Shells in Seitenlage kombiniert werden, sagt Jeffcoat.
So geht's: Leg dich auf die Seite, wobei deine Hüfte und deine Knie im Winkel von 45 Grad abgewinkelt sind. Lass deine Füße zusammen und zieh deine Knie auseinander wie beim Öffnen einer Muschel (Clam-Shell), wobei deine Hüfte unverändert bleibt. Versuche bei deinen Bewegungen, zu verhindern, dass sich deine Mittellinie und deine Wirbelsäule verschieben.
Versuch, diese Übung zwei Mal mit 10 bis 15 Wiederholungen zu machen. Wenn es dir zu einfach vorkommt, kannst du ein Widerstandsband um deine Schenkel binden, damit die Muskulatur stärker beansprucht wird.
3.Happy Baby Stretch
Diese beliebte Yoga-Dehnübung dient dazu, die Hüfte zu öffnen, und ist dabei sehr effektiv. Jeffcoat erklärt aber, dass sie auch die Muskeln im Beckenboden dehnt, was sich positiv für Personen auswirkt, die unter Verspannungen leiden.
So geht's: Leg dich auf den Rücken, wobei deine Knie gebeugt und deine Füße auf dem Boden sind. Lass deine Knie an deinem Brustkorb, fass dein inneres Fußgewölbe und halt diese Position 30 bis 45 Sekunden lang. Wiederhol es dreimal.
Streck dann deine Knie und Füße auseinander, um die Anspannung in deinem Unterleib zu erhöhen. Halt diese Position und versuch, deine Atmung zu verlangsamen. Wiederhol dies, bis es unangenehm wird.
Text: Gabrielle Kassel