Wann trainierst du zu viel? Expert:innen erklären die Risiken

Sport und Bewegung

Gesundheitsexpert:innen erklären, wie zu viel Training zu Schlafstörungen, Verletzungen und Amenorrhoe führen kann.

Letzte Aktualisierung: 31. August 2022
8 Min. Lesezeit
Wann trainierst du zu viel?

Mit den richtigen regelmäßigen Übungen kannst du dein Wohlbefinden insgesamt verbessern. Wie bei vielen anderen Dingen kommt es auch hier auf das richtige Maß an und es ist eindeutig möglich, das mit dem Trainieren zu übertreiben. Es stimmt: Zu viel Training kann kontraproduktiv für deinen Trainingsplan sein und Verletzungen, Schlaflosigkeit und in Extremfällen Amenorrhoe zur Folge haben.

Hier erklären Expert:innen, was als zu viel Training gilt, und beschreiben sieben häufige Anzeichen dafür, dass du es vielleicht übertreibst.

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Wann trainierst du zu viel?

Das richtige Maß beim Training ist bei jeder Person anders. Generell entspricht das ideale Übungsprogramm den Empfehlungen des U.S. Department of Health and Human Services von mindestens 150 Minuten moderaten aeroben Aktivitäten pro Woche. Natürlich solltest du bei der Planung deines Workout-Programms vor allem deine speziellen Gesundheits- und Fitnessziele im Auge haben.

Wie Jake Harcoff, M.S., zertifizierter Kraft- und Konditionstrainer sowie zertifizierter Experte für Sporternährung erklärt, ist das richtige Maß an Training für Personen, die einfach in Form bleiben möchten, anders als die Intensität für Personen, die bei einem Wettkampf Erfolg haben wollen.

"In beiden Fällen ist vor allem wichtig, dass du bei dem Programm zwischen den Übungen deinem Körper genug Zeit gibst, sich zu erholen und zu regenerieren", sagt Harcoff.

Wenn du deinem Körper vor den nächsten Übungen nicht genug Zeit zum Erholen gibst, besteht für dich das Risiko, das Übertrainingssyndrom zu entwickeln, das durch zu viel Training und zu wenig Erholung ausgelöst wird. Das US-Gesundheitsministerium definiert keine Obergrenze für das Training, ab der es für Sportler:innen gefährlich wird.

Laut der Fachärztin für Frauengesundheit Felice Gersh gilt allgemein, dass bei ungefähr 90 Minuten am Tag die Schwelle liegt, ab der das Risiko des Übertrainingssyndroms und der zugehörigen Symptome besteht.

Es gibt aber auch Personen, die gar nicht so viel trainieren müssen, um Symptome von Übertraining zu entwickeln, sagt Grayson Wickham, registrierter Physiotherapeut und zertifizierter Kraft- und Konditionstrainer. Eigentlich ist die Frage, ob die Übung für dich und dein Fitnesslevel geeignet ist, sagt er.

7 Anzeichen und Symptome von zu viel Training

  1. 1.Deine sportliche Leistung verschlechtert sich extrem

    Wenn du über längere Zeit hinter deinem normalen Level beim Laufen zurückbleibst oder Gewichte von der Hantel wegnehmen musst, ist dies ein Warnsignal deines Körpers und du solltest mindestens einen Tag Pause machen.

    Wenn du trainierst, entstehen dabei eigentlich winzige Muskelfaserrisse, sagt Harcoff. Nach dem Training arbeitet dein Körper daran, diese Risse zu reparieren. Nach der Reparatur sind diese Muskelfasern noch kräftiger und widerstandsfähiger als vorher.

    Dies dauert ungefähr 24 bis 48 Stunden. Wenn du also diese Muskulatur wieder beanspruchst, bevor sie nach dem letzten Workout komplett repariert ist, gehen die Ergebnisse deines Workouts verloren. Wenn du immer wieder dieselbe Muskulatur beanspruchst und ihre Reparatur nicht zulässt, kann sie sich zurückbilden, sagt Wickham. Das Ergebnis? Du verlierst dabei an Kraft. Oder du verletzt dich sogar (mehr dazu unten).

    Was du tun musst: Notier deine sämtlichen Wiederholungen, Sets, Gewichte und gelaufenen Kilometer sowie das Ausmaß der Anstrengung durch die Workouts. Mit diesen Aufzeichnungen behältst du den Überblick über dein Training.

  2. 2.Du hast mit mindestens einer schmerzhaften Verletzung zu kämpfen

    Nochmal: Wenn du zu viel trainierst, kann sich dein Körper zwischen den Sessions nicht regenerieren. "Wenn sich dein Körper nicht regenerieren kann, sind möglicherweise chronische Schmerzen in den Gelenken und Muskeln die Folge", so Harcoff. "Im extremen Fall kannst du dich auch verletzen."

    Wenn du verletzt bist, solltest du nicht nur die Hilfe von Physiotherapeut:innen oder Orthopäd:innen in Anspruch nehmen, sondern deine Bewegungsmuster auch von einer/einem Personaltrainer:in untersuchen lassen. Diese Arten von Verletzungen können durch falsche Bewegungsmuster verschlimmert werden.

    (Verwandter Artikel: So kannst du laut Expert:innen ohne Verletzungsgefahr längere Strecken laufen)

  3. 3.Du bist schlecht gelaunt

    Vielleicht schiebst du deine schlechte Laune auf eine kürzliche Begegnung mit Menschen aus deinem beruflichen oder privaten Umfeld. Wenn deine Stimmung aber mehrere Wochen im Keller ist, kann dein Trainingsprogramm die Ursache sein.

    "Wenn du leicht abgelenkt wirst oder deprimiert bzw. unmotiviert bist, deutet das auf Übertraining hin", sagt Harcoff.

    Expert:innen aus dem Bereich der Sportmedizin haben den Test Brief Assessment of Mood (BAM+) entwickelt, mit dem Coaches die mentale Gesundheit von Sportler:innen feststellen können. Mit diesem Test können Spieler:innen auf Anzeichen von Depression untersucht werden und er misst, wie ihre Körper auf Trainingsbelastungen reagieren, erklärt Harcoff.

    Eine Studie im Journal of Science and Sports Medicine aus dem Jahr 2017 ergab, dass der BAM+-Wert von Sportler:innen zum Vorhersagen der physiologischen Symptome von Übertraining verwendet werden kann. Mit diesem wird anhand von psychologischen Symptomen festgestellt, ob Athlet:innen zu viel trainieren. Hohe Creatin-Kinase-Werte im Blut sind beispielsweise nur ein Anzeichen.

  4. 4.Du leidest an Schlafstörungen

    Du denkst vielleicht, dass du besser schläfst, wenn du dich im Fitnessstudio oder beim Laufen verausgabst, aber wenn du es mit dem Training übertreibst, kann sich das auf die Intensität und Länge deines Schlafs auswirken.

    Wenn du zu viel trainierst, steigt dein Cortisolwert (das wichtigste Stresshormon). Du brauchst zwar etwas Cortisol zum Leben, aber durch chronisch hohe Cortisolwerte kann dein gewohnter Schlaf gestört werden, sagt Wickham.

    "Manche beginnen, an Schlafstörungen zu leiden, und können nicht mehr einschlafen, wenn sie es möchten. Andere können einschlafen, wachen aber ständig wieder auf."

    Leute, die unter diesen Symptomen leiden, fühlen sich oft müde (und gleichzeitig angespannt) und konsumieren oft viel zu viel Koffein, so Wickham. Aber das ist noch nicht das Schlimmste. Er erklärt: Dein Körper produziert im Schlaf die größte Menge von menschlichen Wachstumshormonen, die wichtigsten Hormone für die Muskelregeneration.

    "Wenn du nicht mehr schlafen kannst, kann ein Teufelskreis entstehen und du erholst dich immer weniger", sagt er.

    (Verwandter Artikel: Expert:innen erläutern: Was bringt es, vor oder nach dem Training Kaffee zu trinken?)

    Es ist auf jeden Fall gut, wenn du dir ein paar Dinge für mehr Schlafqualität angewöhnst, zum Beispiel immer zur gleichen Zeit ins Bett zu gehen und elektronische Geräte in Bettnähe zu vermeiden. Wenn aber Übertraining wirklich die Ursache deines schlechten Schlafs ist, bleibt nur, weniger zu trainieren, sich besser zu erholen und mehr auf die Ernährung zu achten.

  5. 5.Deine Herzfrequenz ist erhöht

    Wenn du ein Fitnessarmband trägst, solltest du auf mehr achten als nur auf die Zahl der Schritte, die du jeden Tag machst. Änderungen an deinem Ruhepuls können auch Hinweise dazu sein, ob dein Trainingsvolumen für deinen Körper geeignet ist.

    "Wenn du zu viel trainierst, steigt deine Herzfrequenz", sagt Reda Elmardi, Ernährungsberater und zertifizierter Kraft- und Konditionstrainer. "Wenn deine Herzfrequenz höher ist als normal, deutet dies darauf hin, dass dein Körper mehr beansprucht wird als normalerweise", sagt er.

    Studien haben gezeigt, dass dein Körper (auch das Herz) "hochfährt", wenn du mit höherer Intensität oder Dauer trainierst als sonst, damit sich dein Körper von dieser Anstrengung erholen kann.

  6. 6.Ausbleibende Menstruation

    Meistens wird davon ausgegangen, dass es nur vier Vitalparameter gibt, aber es sind eigentlich fünf. "Dein Menstruationszyklus gilt als fünfter Vitalparameter, was bedeutet, dass er als einer der Indikatoren für das allgemeine Wohlbefinden angesehen werden kann", sagt Gersh.

    Wenn also Sportler:innen ihre Periode nicht bekommen, ist das ein Symptom dafür, dass mit ihrem Körper etwas nicht in Ordnung ist. In der Medizin wird das Ausbleiben der Periode als Amenorrhoe bezeichnet und deutet darauf hin, dass eine Frau gesundheitlich nicht zu einer Schwangerschaft in der Lage wäre.

    "Das Fortpflanzungssystem fährt praktisch herunter und die betreffende Person produziert weniger Östrogen", sagt sie.

    Östrogen ist weitaus mehr als ein Schwangerschaftshormon. Es sorgt auch für eine starke Knochenstruktur. Wenn der Östrogenspiegel fällt, steigt das Risiko von Knochenbrüchen und Osteoporose. Das ist natürlich ein Problem, wenn man bedenkt, wie wichtig die Knochen für alle Sportarten sind.

    "Oft bleibt die Periode aus, weil die betreffende Person zu viel trainiert und zu wenig isst", erklärt Gersh. Allerdings kann Amenorrhoe auch durch einige Arten von Intrauterinpessaren, Verhütungsmitteln und anderen Medikamenten hervorgerufen werden.

    Die häufigste Maßnahme gegen Amenorrhoe besteht darin, das Training eine Woche lang zu reduzieren und mit Ernährungsberater:innen daran zu arbeiten, dass du die richtigen Nahrungsmittel konsumierst. In einigen Fällen verschreiben Ärzt:innen auch Östrogen-Ergänzungsmittel, damit der Körper das Östrogen erhält, das er gerade nicht auf natürliche Weise produziert, erklärt Gersh.

  7. 7.Dein Menstruationszyklus hat sich verändert

    Allgemein fällt eine ausgefallene Periode natürlich mehr auf als eine schwächere oder um ein paar Tage verspätete Periode. Gersh schlägt daher vor, auch auf die Häufigkeit und Stärke der Blutung zu achten, besonders wenn wichtige Wettkämpfe oder intensives Training auf dem Plan stehen.

    Es ist sehr ungewöhnlich, wenn eine Person in einem Monat ihre Periode normal hat, diese aber im nächsten Monat komplett ausbleibt, sagt sie.

    "Normalerweise gibt es schon früher Anzeichen für Amenorrhoe, also Ausbleiben der Periode", erklärt sie. Dazu gehören unregelmäßiger Zyklus, geringere Blutung und Schmierblutung.

    Wenn es Veränderungen des Zyklus gibt, schlägt sie vor, mit einer Ärztin oder einem Arzt über die Ernährung und Regeneration zu sprechen, um das Risiko des Ausbleibens der Periode zu senken und damit das Risiko für die Gesundheit der Sportlerin möglichst gering zu halten.

    Text: Gabrielle Kassel

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Ursprünglich erschienen: 9. August 2022