So behältst du in jeder Situation die Beherrschung
Coaching
Dein Temperament geht hin und wieder mit dir durch? Dieser Trick hilft dir, einen kühlen Kopf zu bewahren.
Vielleicht hast du schon einmal mitbekommen, wie unhöfliche Restaurantbesucher:innen auf die Kellner:innen losgegangen sind und hast dir dabei gedacht: "Wow, wie können die Kellner:innen nur so gelassen bleiben". Manche Leute schaffen es einfach, so ruhig wie Yoda zu reagieren. Natürlich kann es einfach sein, dass die Person arrogante Gäste gewohnt ist oder dazu angewiesen wurde, sich ruhig zu verhalten. Vielleicht hat sie aber auch die Methode perfektioniert, die Psychologen als Pausieren bezeichnen.
Mit dem Pausieren schaffst du einen Moment zwischen einem auslösenden Ereignis und deiner verbalen oder physischen Reaktion, so Djuan Short, Yogalehrer aus Philadelphia. In diesem Moment, der nur wenige Sekunden aber auch viel länger andauern kann, kannst du planerisch mit der Situation umgehen und vielleicht eine impulsive Reaktion in achtsames Handeln verwandeln, erklärt Short.
Wie funktioniert das Ganze? Durch das Pausieren erlangst du mehr Selbstwahrnehmung und wirst ruhiger. Das ermöglicht dir dann, deine Gedanken zu sortieren und schlechte Gedanken zu ersetzen. Nicht jeder beherrscht diese Methode und daran sind nicht wir selbst schuld.
"In unserer heutigen Welt haben wir kaum Gelegenheit, diese Fähigkeit zu entwickeln", so Dr. Raquel Martin, klinische Psychologin aus Nashville. "Wir fühlen uns verpflichtet, sofort zu antworten". Das liegt daran, dass in unserer Gesellschaft unmittelbare Vorgänge gegenüber langsamen, stetigen bevorzugt werden. Wir geraten häufig in Lagen, in denen wir vorschnell reagieren, weil wir keine Gelegenheiten erhalten, die Geschehnisse zu verarbeiten, so Martin.
Wenn du in einer Situation negativ reagierst, liegt das häufig daran, dass du dich gestresst, unsicher oder bedroht fühlst (oder auch zorning oder persönlich angegriffen), so Short. Jedes dieser Gefühle kann dein sympathisches Nervensystem aktivieren, das für die Zustände "Fight", "Flight" oder "Freeze" verantwortlich ist. Vielleicht merkst du in solchen Situationen sogar, wie deine Atmung schneller wird, deine Muskelspannung steigt und du zu schwitzen beginnst. Diese Reaktion ist ein Überlebensmechanismus, der dich auf lebensbedrohliche Situationen vorbereiten soll, so Short. Staus und zu lange To-do-Listen sind aber gar nicht lebensbedrohlich, egal wie sehr wir in solchen Situationen schreien oder weglaufen wollen.
"In unserer heutigen Welt haben wir kaum Gelegenheit, diese Fähigkeit zu entwickeln. Wir fühlen uns verpflichtet, sofort zu antworten."
Dr. Raquel Martin
Klinische Psychologin
Wenn du in schwierigen Situationen pausierst, kannst du damit die Reaktion deines sympathischen Nervensystems herunterfahren und verstärkt das parasympathische Nervensystem aktivieren, das auch für das Entspannen und Verdauen verantwortlich ist. Dadurch kannst du den unterbewussten "Überlebensmodus" wieder verlassen, erklärt Short. Reflexartige Reaktionen sind das Ergebnis von Emotionen, die nicht analysiert oder gesteuert werden, sagt sie. In den meisten Fällen bereuen wir diese Art von Reaktionen (den Partner anschreien, herabfällige Nachrichten an Freunde versenden, oder einem Arbeitskollegen eine dringliche, einfache Bitte abschlagen). Das Pausieren erinnert dich in solchen Situationen daran, dass du in Sicherheit bist, sagt Short. Anschließend kannst du dann erwachsen, gutmütig und ergebnisorientiert reagieren.
Aber was genau macht man während dem Pausieren? Das ist ganz individuell. Versuch es mal mit diesen Techniken. Probier eine oder alle davon aus, bis du die für dich passende gefunden hast.
- Setze Grenzen.
Indem man pausiert, kann man sowohl zu Hause als auch bei der Arbeit (die ja zu Hause stattfinden kann) Grenzen setzen, so Short. Angenommen ein Familienmitglied oder jemand aus deinem Team möchte, dass du jetzt gleich über etwas sprichst. Obwohl du dich vielleicht verpflichtet fühlst, sofort zu antworten oder auf das Thema einzugehen, kannst du auch auf die Person reagieren, indem du sagst "Warte kurz, darüber muss ich nachdenken" oder "Das muss ich erst einmal aufnehmen". Indem du deinen eigenen Bedürfnissen Ausdruck verschaffst, bildest du dir selbst und anderen gegenüber Grenzen, erklärt Short. Dadurch ist es weniger wahrscheinlich, dass deine Reaktion egoistisch oder zu emotional ausfällt. Du hast dann einen guten Ausgangspunkt für eine inhaltlich und zeitlich gezielt gewählte Reaktion. Du kannst entscheiden, welche Worte du wählst, in welchem Ton du sprichst und welche Botschaft du vermitteln möchtest.
Vielen Leuten fällt das schwer, weil sie besorgt sind, dass ihr Gegenüber beleidigt oder sauer wird, wenn sie nicht sofort reagieren. Deine Pause kann aber auch Wirkung zeigen, ohne gleich Stunden oder Tage anzudauern. Nach der Pause reagierst du wahrscheinlich positiver und lösungsorientiert. Das macht die verloren gegangene Zeit dann wieder gut. - Atme ein … und wieder aus.
Wenn du auf deine Atmung achtest, (nachdem du vielleicht aus der Puste gekommen bist), kann das hilreich sein, um dich zu beruhigen. Anstatt dem Fahrer, der dich geschnitten hat, den Mittelfinger zu zeigen oder gegenüber dem Professor, der dir nur eine 2 gegeben hat, auszurasten, kannst du mit achtsamem Atmen wieder ins hier und jetzt zurückkommen und dich von dem Frust ablenken. Damit hast du dann eine Gelegenheit, ruhig und klar zu reagieren. Short rät zu einer phasenweisen Atemtechnik, bei der du beim Einatmen bis vier zählst, dann bis vier die Luft anhältst, bis vier ausatmest und wieder bis vier einatmest. Damit hast du genug Zeit, alles zu verarbeiten. Mach es einfach so lange, bis du wieder entspannt bist und erwachsen und verantwortungsbewusst reagieren kannst. - Sprich zu dir selbst, aber nett.
Indem du dir selbst gut oder zumindest neutral zusprichst kannst du die Situation besser bewerten und positiver sehen. Versuch es mal mit "Entspann dich", "Das bekomme ich schon hin" oder "Ich brauche nur eine kurze Pause", so Dr. Erlanger A. Turner, Psychologe aus LA. Der Abschluss dieses HIIT mag dich vielleicht herausfordern, aber du schaffst das schon. Oder du verspürst ein Verlangen nach Eis zum Nachtisch, wolltest aber eigentlich ein Stück Obst essen. Nimm dir einfach einen Augenblick Zeit, bevor du aufgibst oder dich deinem Verlangen hingibst und mach dir deine innere Stimme zunutze. Das kann dir beim Erreichen deines eigentlichen Ziels helfen.
Es ist übrigens gar nicht so einfach, das mit den Pausen optimal umzusetzen. Martin empfiehlt, die Methoden jeweils für zumindest zwei Wochen auszuprobieren und mehr als einmal pro Woche zu üben, bevor man aufgibt. Nicht jede der Techniken passt unbedingt zu dir. Gib aber nicht zu schnell auf und denk zuerst darüber nach, ob du es wirklich versucht hast. Wenn du merkst, dass du weniger intensiv reagierst, ist das ein Zeichen dafür, dass die jeweilige Technik funktioniert.
Leider können wir im Leben nicht zurückspulen. Wenn du aber das Pausieren meisterst, bist du darauf vielleicht seltener angewiesen.
Text: Ronnie Howard
Illustration: Gracia Lam
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