Garima Thakur demonstriert für die Zukunft unseres Planeten

Kultur

Erfahre mehr über die 15-jährige indische Klimaaktivistin, die dafür sorgt, dass die Umweltkatastrophe von 1984 in ihrer Heimatstadt nicht in Vergessenheit gerät.

Letzte Aktualisierung: 1. November 2021
7 Min. Lesezeit
Mein eigenes Spielfeld: Der Kampf um die Zukunft der Erde

"Mein eigenes Spielfeld" ist eine Serie, in der Athletinnen und Athleten erzählen, wie sie sich mit der Natur um sich herum verbinden und ihre Balance finden.

Schon bevor die 15-jährige Garima Thakur aus dem indischen Bhopal zum ersten Mal darüber nachdachte, sich aktiv für den Klimaschutz zu engagieren, war sie sich des Klimawandels und seiner verheerenden weltweiten Auswirkungen bewusst. Garima war 13, als sie die düsteren Bilder des Dokumentarfilms "Before the Flood" mit Leonardo DiCaprio als Sprecher sah, die sie sehr bedrückten und ihr Angst vor ökologischen Katastrophen und Bedrohungen der natürlichen Umwelt machten. Sie erkannte, dass der globale Klimanotstand nicht in irgendeinem Land am anderen Ende der Welt mit anderen Menschen passierte: Plötzlich bemerkte sie in ihrer eigenen Stadt und ihrem Land die allgegenwärtigen Anzeichen von Umweltzerstörung.

"Ich begann, die Botschaft des Films überall zu sehen: ein brennender Reifen am Straßenrand, ein Baum, der irgendwo gefällt wird, Menschen, die in Warteschlangen für Wasser für ihre Familien anstehen", erzählt Garima. "Das sind Zeichen der Not, und in Indien sind die Zeichen überall. Man kann sie nicht übersehen."

Garima erinnert sich gern an einen Süßwasserbach in der Nähe des Hauses ihrer Großmutter im Bezirk Bilaspur im bergigen, bewaldeten Bundesstaat Himachal Pradesh. "Ich ging oft mit meinen Cousins und Cousinen zu diesem Bach. Da es dort meistens fast menschenleer war, konnten wir ungestört spielen und die Fische im Wasser sehen", erzählt sie.

Heute ist die liebgewonnene Spielstätte ihrer Kindheit mit Asphalt bedeckt und statt eines fließenden Baches als Lebensquelle für Flora und Fauna "gibt es nur ein stehendes Gewässer am Straßenrand", so Garima. "Ich war etwa 11 Jahre alt, als die Straße gebaut wurde. Ich spielte erst seit ein paar Jahren an diesem Bach, aber zu sehen, was aus ihm geworden war, hat mich schwer getroffen."

Mein eigenes Spielfeld: Der Kampf um die Zukunft der Erde

"Ich hoffe wirklich, dass mich eines Tages vielleicht ein Gesetzgeber oder ein politisches Oberhaupt fragt, was ich mache, und mir auch wirklich zuhört."

Garimas Erlebnis wird nicht das einzige bleiben, wenn keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden. Ohne saubere Luft und einen gesunden Planeten wird es unmöglich sein, draußen spazieren zu gehen, zu laufen oder Sport zu machen.

Als Kind hat Garima erlebt, dass es auch anders geht, und die Vorteile einer gesunden Umwelt erfahren. Ihr Vater arbeitete bei der Armee, weswegen die Familie oft umzog und in Städten lebte, die normalerweise nicht zu den typischen durch Umweltverschmutzung belasteten Orten Indiens gehören. "Ich hatte das Glück, in sehr grünen Städten wie Dehradun und Dharamkot aufzuwachsen, wo ich jeden Abend lange spazieren ging und die saubere Luft einatmete. Dadurch fühlte ich mich richtig erfrischt und voller Energie." Als sich die Familie in einer größeren Stadt niederließ, vermisste Garima die freie Natur. Nun plant sie, zurück nach Dehradun zu ziehen, um dort später ein Studium zu beginnen.

Mein eigenes Spielfeld: Der Kampf um die Zukunft der Erde

Geleitet durch ein neu entdecktes Verantwortungsgefühl und ihre Erinnerungen an ihre prägenden Jahre in der Natur gehört Garima jetzt zu einer wachsenden Zahl junger Frauen, die weltweit in die Fußstapfen der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg treten und beim Klimawandel Alarm schlagen. Und da Naturwissenschaften nicht ihre Stärke sind, sind Garimas Ziele auf einen anderen Aspekt der Umweltkrise ausgerichtet: die Gesetzgebung.

Mit einer für ihr Alter ungewöhnlichen Ernsthaftigkeit erzählt sie: "Mein Hauptinteresse gilt der Umweltpolitik. So sehe ich mich in der Lage, etwas in der Welt zu verändern und meine Botschaft über den globalen Klimanotstand zu verbreiten." Garima scheint sich des Ausmaßes dieser Herausforderung bewusst zu sein.

Mein eigenes Spielfeld: Der Kampf um die Zukunft der Erde

Tatsächlich bereitet sie sich bereits auf eine Prüfung vor, die ihr einen Platz an einer der renommierten juristischen Fakultäten Indiens, den National Law Universities, sichern könnte. Ein Grund, warum sie sich für das Gebiet der Gesetzgebung entschieden hat, ist die Geschichte von Bhopal, die, wie Garima sagt, "die Stadt ist, in der ich zum Aktivismus gefunden habe."

In der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember 1984 ereignete sich in Bhopal im zentralindischen Bundesstaat Madhya Pradesh das, was heute als eine der schlimmsten Industriekatastrophen der Geschichte gilt. Aus einer Pflanzenschutzmittelfabrik im Herzen der Altstadt traten etwa 40 Tonnen giftiges Gas aus, das sofort Tausende von Menschen tötete. Tausende weitere starben in den folgenden Jahren und Jahrzehnten an medizinischen Komplikationen und chronischen Erkrankungen, die mit dem direkten und indirekten Kontakt mit dem giftigen Gas zusammenhängen. Fundierte Schätzungen beziffern die Zahl der Todesopfer dieser Katastrophe auf mindestens 25.000.

Obwohl sie ein paar Jahrzehnte nach diesem Unglück geboren wurde, ist sich Garima jener schicksalhaften Nacht im Jahr 1984 und der darauf folgenden Umweltreformen immer noch sehr bewusst. "Ich möchte diese Gesetze besser verstehen, um zu sehen, ob sie mit noch größerer Wirkung umgesetzt werden können als bisher", sagt sie.

Mein eigenes Spielfeld: Der Kampf um die Zukunft der Erde
Mein eigenes Spielfeld: Der Kampf um die Zukunft der Erde

Während sie sich auf eine mögliche Karriere als Juristin vorbereitet, beteiligt sich Garima jeden Freitag an den Protestmärschen entlang der VIP Road, 20 Minuten vom Standort der Pflanzenschutzmittelfabrik entfernt. Die junge Umweltschützerin ist zum bekanntesten Gesicht von Greta Thunbergs globaler Fridays for Future-Bewegung in Bhopal geworden.

Mein eigenes Spielfeld: Der Kampf um die Zukunft der Erde

Ob bei Hitze, Regen oder Kälte: Seit dem letzten Frühjahr hat Garima keinen einzigen "Tag der Revolution" verpasst. Gelegentlich wird sie von Freunden oder ihren Eltern begleitet, sehr oft ist aber auch allein unterwegs, mit nichts als ihrer Beharrlichkeit und einem Pappschild im Gepäck, auf dem in dicken, schwarzen Buchstaben "Climate Strike!" steht.

Die meisten Jugendlichen in ihrem Alter in Indien werden dazu angehalten, akademische Spitzenleistungen durch Auswendiglernen zu erbringen. Garima hat für sich beschlossen, neue Wege zu gehen. Sie konzentriert sich nicht nur auf schulische Belange, sondern befasst sich mit den unmittelbarsten Problemen der Welt. "Wenn ich bei unserer Regierung oder meinen Mitschüler:innen auch nur das geringste Bewusstsein dafür wecken kann, was für unsere Generation auf dem Spiel steht, haben sich all die Stunden gelohnt, die ich bei jedem Wetter für den Klimawandel demonstriere."

Mein eigenes Spielfeld: Der Kampf um die Zukunft der Erde
Mein eigenes Spielfeld: Der Kampf um die Zukunft der Erde

Momentan sind die Waldbrände, die sich in den letzten Jahren an der Westküste der Vereinigten Staaten häufen, Garimas Hauptsorge. Es sind Bilder, die sich in ihr Bewusstsein eingebrannt haben. "Der Klimanotstand ist für mich seitdem fest mit dem Gedanken an Brände verbunden, denn ich weiß, wie es sich anfühlt, nicht mehr richtig durchatmen zu können", so Garima.

Mein eigenes Spielfeld: Der Kampf um die Zukunft der Erde

Garima sieht die Tragödie in ihrer Heimatstadt Bhopal vor über drei Jahrzehnten als Vorbote dessen, was der Welt bevorstehen wird, wenn die Verantwortlichen nicht bald handeln. "Uns werden die Luft zum Atmen und sauberes Trinkwasser ausgehen. Keine Fische in den Flüssen, keine Ernte auf den Feldern", sagt sie. "Was könnte wichtiger sein, als zu versuchen, das zu verhindern?"

Motiviert wird sie jedoch von einer anderen Vision: "Ein bestimmtes Szenario spiele ich immer wieder in meinem Kopf durch", sagt sie. "Dass mich eines Tages vielleicht ein Gesetzgeber oder ein politisches Oberhaupt fragt, was ich mache, und mir auch wirklich zuhört."

Text: Prayag Arora Desai
Fotos: Dolly Haorambam

Ursprünglich erschienen: 1. November 2021