Die ClearBears wollen uns die Natur näherbringen
Culture
Respekt für die Umwelt ist Teil der indigenen Kultur der ClearBear-Brüder. Und sie sind davon überzeugt, dass wir alle diese Einstellung lernen können.
Come Together: Auch auf Distanz bleiben wir miteinander verbunden. Wir haben mit dem Cast unseres Holiday 2020-Lookbooks darüber gesprochen, was Zusammengehörigkeit aktuell bedeutet.
Come Together: Auch auf Distanz bleiben wir miteinander verbunden. Wir haben mit dem Cast unseres Holiday 2020-Lookbooks darüber gesprochen, was Zusammengehörigkeit aktuell bedeutet.
Die Zwillingsbrüder ClearBear und Haatepah sind davon überzeugt: Was Menschen vor allem zusammenhält, sind Umwelt und Natur.
"Wir bestehen aus denselben Flüssigkeiten, Metallen und Mineralien wie alles andere auf dieser Erde und im Universum", erklärt der 22-jährige ClearBear "Diese Elemente liegen uns im Blut und machen uns aus. Das sollten wir nicht vergessen."
ClearBear und seine Partnerin Cualia haben die Indigenous Alliance Movement gegründet, eine wachsende Gemeinschaft, die anderen helfen will, ihre indigenen Wurzeln wiederzuentdecken. Auch ClearBear selbst und sein Bruder, die als Kinder adoptiert wurden, waren lange auf der Suche nach ihrer Herkunft. Sie entdeckten, dass sie von den Kumeyaay, Pai Pai und Chichimeca-Guamare abstammen. Beide möchten ihre Identität als indigene Männer dazu nutzen, auf Probleme ihrer Völker, der Umwelt und der Natur aufmerksam zu machen. Sie sind davon überzeugt, dass diese Probleme gemeinsame Ursachen haben und alle Menschen betreffen und möchten zu Veränderungen beitragen.
"Wir indigenen Völker leben in Einklang mit diesem Land, denn wir sind das Land", erklärt Haatepah. "Wir alle sind das Land."
Die Brüder leben in Kalifornien und engagieren sich nicht nur gemeinsam als Aktivisten, sondern machen auch zusammen Musik. Mit uns haben sie darüber gesprochen, wie sie auch über Distanz miteinander in Verbindung bleiben und wie wir alle gerade im Moment unsere Beziehung zur Natur vertiefen können.
Eure Verbindung scheint über das hinaus zu gehen, was Brüder und auch Zwillinge normalerweise auszeichnet. Ihr habt gemeinsam eure Wurzeln und Identitäten entdeckt und auch davor schon schwere Zeiten gemeinsam durchgestanden. Wie habt ihr beide diese Reise zu euch selbst erlebt?
ClearBear: Wir waren sehr jung, als wir adoptiert wurden. Wir haben also nicht viel über unsere Kultur lernen können, denn wir waren ja noch Babys. Zuerst habe ich mich vor meiner Herkunft gefürchtet. Nicht wegen der Geschichte meiner Familie, sondern einfach, weil mir das alles fremd war. Mir war gar nicht bewusst, wer ich wirklich war.
Unsere Adoptiveltern erklärten uns zwar, dass wir indigene Wurzeln hätten. Aber das war sehr vage. In der indigenen Kultur selbst gibt es so viele verschiedene Völker und Sprachen, die sich über den gesamten Kontinent verteilen, dass der Begriff "Native American" einfach nicht ausreicht.
Aber auch mit dem wenigen, das wir wussten, konnten wir unsere Wurzeln ergründen. Wir waren schon immer von der Geschichte der amerikanischen Ursprungsbevölkerung und ihren Migrationsbewegungen fasziniert und konnten uns unser Puzzle Stück für Stück zusammensetzen.
Haatepah: Als wir 8 oder 9 waren, kamen wir mehr und mehr zur Überzeugung, dass wir unsere Wurzeln vor allem in den Völkern der sogenannten First Nations, also in Nordamerika suchen mussten. Zu welchen Völkern wir genau gehörten, war uns allerdings nicht klar.
Deshalb gründeten wir in der High School einen Native American Club. Hier trafen sich Schüler mit indigenen Wurzeln. Wir organisierten Veranstaltungen, bei denen wir mehr über unsere Kultur lernen wollten. Da wir nicht wussten, von welchem Volk wir genau abstammten, saugten wir Wissen über Völker aus allen Teilen Amerikas auf, ob Nord-, Mittel- oder Südamerika, von Alaska bis zu den südlichsten Regionen von Chile und Argentinien. Wir suchten alle Informationen zusammen, die wir finden konnten. Es wurde regelrecht zu einer Besessenheit.
ClearBear: Ja, so kann man das wohl nennen.
Haatepah: Wir versuchten, so viel wie möglich zu erfahren. Als wir dann endlich unsere biologische Familie fanden, stellten wir viele Fragen und fanden heraus, von welchen Völkern wir tatsächlich abstammen.
Was war das für ein Moment, als ihr endlich eure Identität als indigene Männer fandet und sagen konntet: "Hier kommen wir her. Das ist unser Volk."?
ClearBear: Also ganz ehrlich … Kennst du dieses Gefühl, wenn du einen richtig guten Song hörst und du fängst an zu zittern, weil er dich so mitnimmt? So ungefähr fühlte sich das an. Irgendwie wie: "Verdammt. Das ist unglaublich. Wow. Von was für einem faszinierenden Volk stamme ich da ab!"
"Auch wenn sich das jetzt provozierend anhört: Wenn man ehrlich ist, sind wir die ursprünglichen Umweltschützer. Wir wussten schon immer, wie man im Einklang mit der Natur lebt."
Haatepah
Ihr beide engagiert euch als Aktivisten und wollt nicht nur auf die Rechte indigener Völker aufmerksam machen, sondern auch das Bewusstsein für den Klimawandel und andere Umweltprobleme schärfen. Wie hat euer Wissen über eure Herkunft euer Engagement in diesen beiden Bereichen beeinflusst?
Haatepah: Auch wenn sich das jetzt provozierend anhört: Wenn man ehrlich ist, sind wir die ursprünglichen Umweltschützer. Wir wussten schon immer, wie man im Einklang mit der Natur lebt, ohne das empfindliche Gleichgewicht zu stören. Umweltschutz ist also eigentlich nur eine Rückbesinnung auf unsere indigenen Wurzeln und geht zu 100 % Hand in Hand mit unserer Kultur.
ClearBear: In der westlichen Kultur will man das Land zähmen. Es geht nicht darum, die Balance mit ihm zu finden. Das menschliche Ego steht über allem, wenn es um das Land und seine Ressourcen geht. Alles muss sich den eigenen Wünschen und Anforderungen unterordnen.
Unsere Vorfahren haben uns gelehrt und gezeigt, wie man nachhaltig mit der Natur umgeht. Sie haben im Einklang mit dem Land gelebt. Sie haben das Land so kultiviert, dass es gedeihen und uns gleichzeitig ernähren konnte.
Das Verrückte ist, dass all diese verschiedenen indigenen Kulturen mit ihren verschiedenen Sprachen und Glaubenssystemen immer eins gemeinsam hatten: Sie teilten das Wissen, dass wir eins mit der Natur sind. Die Natur behandelt uns so, wie wir sie behandeln.
"Wir müssen das Tempo der Welt nicht mithalten. Nimm dir Zeit für eine Pause.”
ClearBear
Viele Menschen nutzen diese ungewöhnliche Zeit, um mehr nach draußen zu gehen und die Natur wiederzuentdecken. Das ist auch wesentlicher Bestandteil eurer indigenen Kultur. Wie findet ihr es, dass sich die Menschen auf dieser Ebene wieder mehr miteinander verbinden?
ClearBear: Viele von uns haben das Gefühl durchzudrehen, wenn sie die ganze Zeit drinnen bleiben müssen, und suchen nach Ausweichmöglichkeiten. Sie lassen es langsamer angehen. Wenn wir nach draußen gehen, kommen wir wieder in Kontakt mit der Natur, mit der Erde, mit unseren Vorfahren. Es kommen ganz neue Gedanken auf wie: Wer war hier vor uns? oder Wow, das ist schön. Ich kann kaum glauben, dass ich mir nie die Zeit dafür genommen habe.
Als Aktivist musst du dich vielen Ängsten stellen und stehst oft unter immensem Stress. Und das beste Mittel gegen Stress, jedenfalls für mich, ist ohne Zweifel die Natur. Das klingt nach einem absoluten Klischee, aber es ist wahr. Wenn du raus in die Natur gehst und einen Spaziergang machst, fühlst du dich gleich viel besser.
Habt ihr beide das Gefühl, dass ihr im Moment noch enger miteinander und auch mit dem Land verbunden seid?
ClearBear: Ich habe mir vor kurzem ein Wohnmobil gekauft und bin unter die Entdecker gegangen, natürlich immer im sicheren Abstand zu anderen Menschen. Ich fahre einfach an irgendeinen Ort und genieße die Natur. Die Gesellschaft lebt quasi auf der Überholspur. Wenn die Quarantäne etwas Positives hat, dann, dass wir uns wieder mehr Zeit nehmen, um durchzuatmen. Wir haben sonst so selten die Gelegenheit dazu, einfach im Moment zu leben.
Ihr macht auch zusammen Musik. Wie ist das, als Brüder eine Leidenschaft zu teilen und auch beruflich Partner zu sein?
Haatepah: Wenn du mit Menschen zusammen bist, die dir nicht so richtig nahe stehen und mit denen du keine so tiefe Verbindung hast, dann hast du im Hinterkopf immer diesen Gedanken: Oh, ich möchte mich nicht blamieren. Mit deinem Bruder ist das kein Problem. Ihr habt gemeinsam Mist gebaut, wart albern und habt einfach schon alles miteinander erlebt, also …
ClearBear: …Es gibt keinen Druck.
Haatepah: Genau. Und ich glaube, als Kreative arbeiten wir einfach am besten, wenn wir nicht so sehr unter Druck stehen.
ClearBear: Wenn wir zusammen einen Song machen und einen Vibe erzeugen oder ein Gefühl ausdrücken möchten, dann weiß Haatepah einfach, welche Emotion ich wecken möchte, wenn ich singe. Ich weiß das auch, wenn er singt. Das ist irgendwie so wie: Oh, ich weiß, was du denkst. Ich weiß, was du fühlst.
Haatepah: Ja, wir ergänzen uns einfach mühelos. Mehr als das mit anderen der Fall ist.
"Wir bestehen aus denselben Flüssigkeiten, Metallen und Mineralien, wie alles andere auf dieser Erde und im Universum. Das sollten wir nicht vergessen."
ClearBear
Wie wirkt sich die Idee einer kollektiven Kraft auf eure Arbeit aus, ob auf euren Einsatz für die Rechte indigener Völker oder für den Umweltschutz?
ClearBear: Menschen, die anfangen, sich für etwas zu engagieren, haben zu Beginn oft unterbewusst diese Vorstellung: Ich möchte einer dieser Superaktivisten werden. Ich möchte der nächste Held sein. Aber so funktioniert das nicht. Du musst bescheiden werden und mit anderen zusammenarbeiten, sonst wirst du nichts verändern. Gesellschaftliche Veränderungen kann man nicht alleine bewirken. Du musst mit anderen zusammenarbeiten, und du musst auf die ältere Generation hören. Du musst auf Menschen hören, die schon länger mit dabei sind. Ansonsten verschwendest du einfach deine Zeit.
Haatepah: Unser Volk hat Tätowierungen genutzt, um sich daran zu erinnern, dass die Gemeinschaft wichtiger ist als das eigene "Ich". Für Frauen gab es die sogenannte 111-Tätowierung, also drei Linien, die am Kinn abwärts verlaufen. Diese Tätowierung bedeutet: Ich schätze meine Gemeinschaft, mein Volk, die Menschen, die mich unterstützen, die Menschen, die mir den Weg gezeigt haben und mich durch das Leben geführt haben. Ich würde für sie sterben und ich unterstütze sie auf jede erdenkliche Weise. Diese Tätowierung muss man sich verdienen: Die Gemeinschaft steht über dem eigenen Selbst.
ClearBear: In vielen indigenen Kulturen wurde Ichbezogenheit als Geisteskrankheit angesehen, als Eigenschaft, die zu Gier führt. Solche Menschen können die Gemeinschaft mit ihrem Ego zerstören.
Zum Schluss noch eine Frage: Gibt es etwas, dass ihr aus dieser Zeit des Innehaltens und des Reflektierens mit in den Alltag übernehmen möchtet?
Haatepah: Hab Geduld mit dir selber. Wir sind nur eine einzige Person, ein einzelner Mensch, und wir müssen uns Zeit zum Atmen nehmen. Dann mehr Selbstreflektion. Und: Ehre die Erde. Ehre die Erde, unsere Mutter, denn sie hält uns alle am Leben, egal, wer wir sind und wo wir herkommen. Und das schon seit hunderttausenden von Jahren.
ClearBear: Ich habe nur noch eins hinzuzufügen: Wir müssen das Tempo der Welt nicht mithalten. Nimm dir Zeit für eine Pause. Pausen sind wichtig. Achte auf deine Gesundheit und respektiere dich selbst, dann verdienst du dir auch den Respekt anderer.
Gemeldet: Juli 2020