So führst du ein Farbtagebuch und lernst, die Welt mit anderen Augen zu sehen
Innovation
Mit dieser einfachen täglichen Gewohnheit bekommst du deinen Kopf frei, verbindest dich mit deiner Umgebung und stimulierst deine kreativen Muskeln. Vier Nike Designerinnen zeigen dir, wie das geht.
"Hands On" ist eine Serie, in der dir kreative Vordenker und Künstler Techniken und Tipps hinter dem Designprozess verraten.
"Man sagt, dass Farben eine ganz eigene Sprache sprechen", so Jaana Beidler. "Eine Sprache, die ohne Worte auskommt, intuitiv und tief mit uns verbunden ist und viele Emotionen trägt."
Farben sind eine Sprache, die Jaana als Nike Senior Director of Color Design fließend spricht und mit ihrem eingespielten Team auch weiterhin sprechen wollte, als sie die Pandemie dazu zwang, von zu Hause aus zu arbeiten. Nachdem sie gelesen hatte, dass das Führen eines Tagebuchs Menschen oft dabei hilft, schwierige Zeiten und Krisenmomente zu verarbeiten, hatte Jaana die Idee, dasselbe zu tun. Nur wollte sie dem Ganzen einen persönlichen Touch geben.
"Mir zumindest fehlen oft die richtigen Worte. Ich denke in Farben", so Jaana. "Es erschien mir also sinnvoller, anstatt eines normalen Tagebuchs ein Farbtagebuch [zu führen]." Und so lud Jaana ihre Teammitglieder dazu ein, Bilder festzuhalten, die ihnen im Alltag auffielen. Zu Hause und in ihrer Umgebung erkannten sie allmählich die subtile Schönheit in alltäglichen Details: Gut sichtbare Verkehrsschilder, die sich vor der Naturkulisse abheben; eine schöne pinke Blume, die im Laufe von ein paar Tagen verwelkt; die leuchtenden Blau- und Grüntöne von Tennis- und Fußballplätzen, die leer und ungenutzt sind – und vieles mehr.
Sieh dir das Video oben an, um zu erfahren, was Jaana und andere Nike Designerinnen über das Führen von Farbtagebüchern zu sagen haben und welche mentalen und emotionalen Vorteile diese kreative Gewohnheit mit sich bringen kann. Unten findest du eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, Beispieleinträge des Teams und eine Vorlage, die dir hilft, dein eigenes Farbtagebuch zu erstellen.
Schritt-für-Schritt-Anleitung für das Führen eines Farbtagebuchs
Schritt 1: Beobachten
Fang an, deine Umgebung neugierig und aufmerksam zu beobachten. "Das Wahrnehmen von Formen, Texturen, Farben und wie sie miteinander interagieren [hat] fast schon etwas Meditatives an sich", so Nicola Trigg, die als Senior Design Director bei Nike arbeitet und ebenfalls Farbtagebuch führt.
Geh spazieren, nimm dir Zeit und sei nicht zu erpicht darauf, etwas Episches zu finden. Es geht hauptsächlich darum, den Kopf freizubekommen, Details zu erkennen und sowohl deine Umgebung als auch deine Gefühle wahrzunehmen. "[Es] kann etwas so Winziges wie ein Blatt auf dem Boden sein oder etwas so Großes wie die Wolken am Himmel – oder die Tatsache, dass jeder einen seltsamen Briefkasten hat", sinniert Nicola.
Schritt 2: Aufzeichnen
Als nächstes dokumentierst du deine Entdeckungen. "Wir alle machen extrem viele Fotos. Du kannst ganz einfach deine Handykamera verwenden. Es macht aber auch Spaß, wenn du analog vorgehst", so Jaana. "Du kannst zum Beispiel Dinge, die du unterwegs findest, mitnehmen und in dein Farbtagebuch legen, damit du sie dir immer wieder ansehen kannst. Das macht das Ganze realer und greifbarer."
"Eine weitere Idee wäre, mit einem Skizzenbuch zu arbeiten. Zeichne, was du siehst, und bring dann Farbe ins Spiel", schlägt Chiyo Takahashi vor, die ebenfalls als Senior Design Director bei Nike arbeitet. "Ich glaube nicht, dass es hierbei ein Richtig oder Falsch gibt", erklärt sie.
Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten waren Jaana, Chiyo, Courtney und Nicola Mitglieder des Color Design Teams von Nike, das dafür verantwortlich ist, die Welt zu beobachten und gesellschaftliche Trends in saisonale Farbpaletten für Schuhe, Bekleidung und Equipment von Nike zu übersetzen. Ein paar von ihnen haben inzwischen andere Aufgaben bei Nike übernommen, doch die Lehre der Farben wird zweifelsohne eine lebenslange Leidenschaft von ihnen bleiben.
Schritt 3: Identifizieren
Sobald du das Gesehene abgemalt bzw. Fotos oder Gegenstände gesammelt hast, erstellst du eine Farbpalette. Dafür wählst du einzelne Farben aus, die deine Aufmerksamkeit erregen. Du kannst klassische Tools wie Marker, Farben, Buntstifte verwenden oder digital auf deinem Computer oder deinem Smartphone arbeiten, indem du eine App mit einem Farbwähler nutzt.
"Das Magische daran ist, dass du dich von deinen Augen und dem Cursor leiten lassen kannst", so Chiyo. "Je nachdem, wohin du klickst, sind die Farben sehr unterschiedlich. Du musst also deiner Intuition folgen und darauf vertrauen, dass das, was sich richtig für dich anfühlt, auch das Richtige ist. Das Ganze ähnelt definitiv einem Editierprozess."
"Für mich ist es fast so, als würde ich meine eigenen Ideen analysieren und hinterfragen", fügt Jaana hinzu. "Ich habe im Laufe der Jahre festgestellt, dass ich mich zu bestimmten Dingen hingezogen fühle. Ich versuche, aus meiner Komfortzone herauszutreten. Ich ziehe inzwischen auch Farben an, die nicht gerade typisch für mich sind."
Als nächstes gibst du deinen Farben einen Namen. Dabei lässt du dich von deinen Erfahrungen und Gedanken inspirieren. Hier beginnt der Spaß für Courtney Dailey, Product Design VP bei Nike. "[Du] kannst dabei auch mal ein bisschen frech sein", erklärt sie. Hier ein paar Beispiele des Teams: Closed Down Brown, Rotting Rainbow Chard und Plastic Flamingo Pink.
Schritt 4: Reflektieren
Als letztes lässt du deinen Gedanken freien Lauf. Woran erinnern dich die Farben? Welche Gefühle lösen sie in dir aus? Was ging dir zum damaligen Zeitpunkt durch den Kopf? Wie Jaana und ihre Teammitglieder festgestellt haben, hilft ihnen dieser Schritt dabei, sich weiterzuentwickeln und zu fokussieren.
"Ich glaube, dass wir dadurch lernen, uns selbst besser zu beobachten", so Chiyo, die zu Beginn der Pandemie total von der markanten beigen Farbe der leeren Regale in Lebensmittelgeschäften geflasht war. "Das Führen eines Farbtagebuchs hilft [mir] zu verarbeiten, wie ich mich gerade fühle. Ich kann das, was um mich herum passiert, bewusster wahrnehmen und werde neugieriger und offener."
Lass dich von den folgenden Einträgen inspirieren …
Erstelle dein eigenes Farbtagebuch
Die wichtigste Erkenntnis, die das Team aus dieser Erfahrung gewonnen hat, ist, dass du dein Farbtagebuch ganz nach deinen Vorstellungen gestalten solltest. Ganz gleich, was deine Aufmerksamkeit weckt, wie du das Gesehene dokumentieren willst und welche Gedanken und Emotionen beim Reflektieren in dir hochkommen – du entscheidest, was du tust.
Betrachte das Führen eines Farbtagebuchs als Möglichkeit, um Stress abzubauen und deinen kreativen und beobachtenden Geist anzuzapfen. Die Tatsache, dass es nichts mit Arbeit und Termindruck zu tun hat, macht es so besonders und wichtig für Courtney. "Es geht einfach nur darum, kreativ zu sein", erklärt sie.
Wenn du nicht weißt, wo du anfangen sollst, haben wir hier eine Vorlage für dich. Du kannst natürlich auch deine eigene erstellen. Es gibt kein Richtig oder Falsch dafür, wie du dein Farbtagebuch führst.
(Hinweis: PDF nur in Englisch verfügbar.)
Video: Azsa West
Text: Brinkley Fox
Bericht: November 2020