Diese in Nigeria lebende Künstlerin verändert, wie afrikanische Mode wahrgenommen wird
Culture
Von Los Angeles über London bis nach Lagos: Momo Hassan-Odukales internationaler Style ist ein wesentlicher Bestandteil ihres eigenen Kreativstudios, mit dem sie lokale Designer:innen fördert.
"Beyond the Fit" ist eine Serie, in der kreative Talente mit ihren einzigartigen Styles zeigen, wer sie sind.
"Ich will, dass alles wächst und sich zusammenfügt." Das ist das ultimative Ziel der 24-jährigen Kreativdirektorin und Stylistin Momo Hassan-Odukale, die derzeit in Lagos lebt. Wenn es um die Intention hinter ihrer kreativen Arbeit geht, sendet sie eine klare Message: "Ich möchte nicht nur nigerianische Brands stylen, sondern Brands [aus] ganz Afrika, um sowohl die westliche Welt als auch die Menschen hier darauf aufmerksam zu machen."
Nach ihrem Abschluss an der Central Saint Martins, der weltberühmten Kunst- und Designschule in London, blieb Momo in der Stadt, um als Redaktionspraktikantin und Stylistenassistentin einen Einblick in die Modebranche zu bekommen. Sie wusste jedoch, was auf sie zukommen würde, denn der hektische Arbeitsalltag hatte bereits viele ihrer gleichaltrigen Kollegen und Kolleginnen in den Burnout getrieben. "Ich wollte mich nur wegen eines Jobs nicht überarbeiten", so Momo. "Nichtsdestotrotz liebe ich die Branche. Ich entschloss mich, nach Nigeria zu gehen und das, was ich liebe, zu Hause zu tun. Dadurch konnte ich auch den emotionalen, psychologischen und anderweitigen Stress vermeiden, den die Arbeit in der Londoner Modebranche mit sich bringt."
Doch das allein war nicht der einzige Grund, warum Momo zurück nach Nigeria ziehen wollte. In Lagos kann sie mit lokalen kreativen Köpfen zusammenarbeiten, die sie motivieren und inspirieren. Im Jahr 2019 gründete sie daraufhin MOMO, ein Kreativstudio, das Dienstleistungen in den Bereichen Consulting, Styling und Kreativdirektion anbietet. Hier spricht sie über ihren Weg, der sie von Los Angeles über London nach Lagos führte, und über ihre Bemühungen, die Art und Weise zu verändern, wie die Welt und die Menschen vor Ort afrikanische Mode wahrnehmen.
Welchen Einfluss hat dein kultureller Hintergrund auf deine Kleidung und deine Arbeit?
[Mein Hintergrund ist] stark geprägt vom Leben auf mehreren Kontinenten. Meine Vorfahren stammen zwar aus Nigeria, doch ich wurde in Los Angeles geboren und ging ab meinem elften Lebensjahr in England zur Schule. An all diesen Orten konnte ich neue Eindrücke gewinnen. Was mich jedoch am meisten beeinflusst, ist das Reisen. Ich liebe es, neue Kulturen kennenzulernen, neue Orte zu erkunden und neue Dinge zu entdecken, die ich unterbewusst vielleicht mit meinem Style verbinde.
Kreativ zu sein ist das, was mich bewegt. Es ist ganz offensichtlich meine Leidenschaft, die vermutlich daher rührt, dass Kunst sozusagen meine erste große Liebe war. In der Schule brachte mich Kunstgeschichte dazu, kreativ sein zu wollen und mich selbst durch Kunst zu finden bzw. ganz einfach Erfahrungen zu sammeln. Für mich ist Kunst Emotion.
Wie sieht die Modeszene in Lagos aus?
Es ist so, dass die Musikszene ihren ganz eigenen Style hat. Dann gibt es noch die Designer, die immer wieder neue Kollektionen herausbringen. Jedoch ist der Unterschied zwischen den Looks in der Musikszene und dem, was die Designer in Nigeria tatsächlich kreieren, riesig. Bei uns gibt es das Wort "alté", was so viel bedeutet wie "alternativ". Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen dieses Wort ziemlich leid sind. Wenn du ein bestimmtes Alter hast, mit bestimmten Leuten abhängst und in der Musikwelt unterwegs bist, dann wirst du automatisch als "alté" bezeichnet, was nicht unbedingt als schlecht angesehen werden muss.
Wie sieht der "alté"-Look aus?
Ich würde sagen, dass es 90er-Jahre-Style ist, der hauptsächlich bei Mädchen für einen coolen Look sorgt. Also Absatzschuhe, Miniröcke und bauchfreie Tops.
Versuchst du beim Entwerfen neuer Styles, deine Wurzeln in deine Arbeit einfließen zu lassen?
Nicht unbedingt. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich das muss, zumal ich im Alltag keine traditionelle Kleidung trage. Aber ich bemühe mich auf jeden Fall sehr, mit nigerianischen Designer:innen zusammenzuarbeiten, die vielleicht in ein paar Jahren neu definieren werden, wie typischer nigerianischer Style aussieht. Damit meine ich unsere ursprüngliche, traditionelle Kleidung, die repräsentiert, aus welchem Teil Nigerias man kommt – also nicht irgendwelche westlichen Styles, sondern Alltagskleidung von früher, die wir heute als "trad" bezeichnen und die beispielsweise bei Hochzeiten getragen wird. Ich bin einfach glücklich, dass ich mit Menschen zusammenarbeiten kann, die bereit sind, neue Handwerkstechniken zu erlernen, sich gleichzeitig aber auch von der Herstellung traditioneller Kleidung inspirieren lassen. Das liegt vielleicht an der besonderen Beschaffenheit der Kleidung oder an der Art des verwendeten Materials.
Denkst du als in Nigeria lebende Stylistin und Künstlerin, dass der Begriff "afrikanische Modedesigner:innen" die Möglichkeiten dieser Designer:innen einschränkt?
Ich glaube, das Problem dabei ist das, was die Leute darüber denken. Sie erwarten, dass man einen bestimmten Print oder eine bestimmte Silhouette verwendet. Wir versuchen jedoch zu zeigen, dass man als afrikanischer Designer bzw. afrikanische Designerin nicht zwingend bunte Stoffe für seine Kleidung verwenden muss. Man kann ganz einfach auch einen maßgeschneiderten, strukturierten Anzug oder einen Zweiteiler entwerfen und trotzdem ein afrikanischer Designer bzw. eine afrikanische Designerin sein. Es geht darum, die Vorstellung davon, was afrikanisch ist, zu ändern und alle stereotypen Ansichten darüber, was Afrika ist oder wer Afrikaner sind, loszulassen.
Wie setzt du dich dafür ein, dass Künstler:innen in Afrika anders wahrgenommen werden?
Ich möchte ganz allgemein dazu beitragen, dass die Infrastruktur der lokalen Modebranche wächst. Ich betrachte das Ganze nicht so, als würde es nur um mich gehen. Wenn ich mit diesen Designer:innen zusammenarbeite, will ich, dass sich die Menschen auf sie konzentrieren und sehen, wie großartig ihre Arbeit ist und wie kompetent sie sind. Wir wollen ganz einfach zeigen, was wir geschaffen haben und wie talentiert jeder von uns ist. Das ist es, was ich will.
Wie hat sich die Tatsache, dass du in Nigeria und nicht in London lebst, auf deine Karriere ausgewirkt?
Hier in Nigeria habe ich die Möglichkeit, Künstler:innen und Designer:innen kennenzulernen und persönliche Beziehungen zu ihnen aufzubauen. Ich glaube nicht, dass das in London auch so wäre. Daher ist es wichtig für mich, zu Hause zu sein. Ich bin zurück nach Nigeria gezogen, weil ich wusste, was ich hier machen wollte. Ich musste mich nur fragen: "Wo bin ich? Und wo will ich leben?" Ich will dort leben, wo ich herkomme. Diese Entscheidung hat definitiv auch etwas mit dem zu tun, was ich machen will. In Zukunft werden wir mit vielen Brands in ganz Afrika zusammenarbeiten. Ich möchte viel in Afrika reisen. Es geht also darum, was ich tun möchte und was im Grunde einen größeren Einfluss auf mein Leben haben wird. Und ich glaube, dass ich die besten Chancen habe, wenn ich hier in Nigeria bleibe.
Text: Devine Blacksher
Fotos: Dan Mbo
Gemeldet: November 2020