Liebe und Leidenschaft zu Basketball und Laufen bestimmen seinen Style
Culture
Ob als DJ oder als Laufcoach: Die Verbindung aus Sport und Kultur gehörte schon immer zum Leben von Lono Brazil III.
"Beyond the Fit" ist eine Serie, in der kreative Talente mit ihren einzigartigen Styles zeigen, wer sie sind.
Individualität und Kreativität auszudrücken ist für Lono Brazil III selbstverständlich, selbst wenn er unter vielen Menschen ist oder zusammen mit einem seiner Laufclubs durch die Straßen von Tokio läuft. Man würde nicht denken, dass das Laufen in einer Gruppe ein besonders effektives Mittel zur Selbstdarstellung ist, doch in Wirklichkeit hat jeder Läufer bzw. jede Läuferin seinen bzw. ihren ganz persönlichen Laufstil.
Lonos Mutter ist aus Japan, sein Vater aus Amerika, er will sich aber nicht nur auf eine Identität festlegen. Er hat in Los Angeles und in New York gelebt. Heute leitet er die Tokioter Filiale der berühmten Streetwear-Boutique Union und ist Coach für den örtlichen Nike Run Club. Abgesehen davon hat Lono noch weitere Talente: Er arbeitet auch als DJ und Model und ist Mitglied des Laufclubs Athletics Far East (AFE). Für ihn ist Laufen jedoch nicht nur etwas, das er tut, um gesund zu bleiben oder Kontakte zu knüpfen. Es definiert vielmehr seinen Signature-Style und hilft ihm, seine Kreativität zu entfachen sowie seinem Style und seinen kulturellen Einflüssen Ausdruck zu verleihen. "Ich habe ziemlich früh die Verbindung zwischen Sport und Mode erkannt und gesehen, wie diese Kulturen aufeinanderprallen", so Lono. "Dabei bin ich in Sachen Style schon immer den Mittelweg gegangen." Hier spricht Lono darüber, welchen Einfluss Sport auf seinen Style hat – sei es heute als Läufer oder damals, als er und sein Vater ihre Liebe zu Jordans und Basketball teilten.
Du bist in mehreren Städten und sogar auf zwei Kontinenten aufgewachsen. Das ist schon ziemlich bemerkenswert. Wann hast du angefangen, dich für Mode zu interessieren, und wie haben dich diese frühen Erfahrungen geprägt?
Ich habe mit meiner Familie in New York und Los Angeles gelebt. Später sind wir nach Tokio gezogen. Das heißt, dass ich definitiv viele verschiedene Styles gesehen habe. Meine Eltern arbeiteten beide in der Musikbranche. Daher war ich immer von kreativen, interessanten Menschen umgeben, die ihren einzigartigen Style zum Ausdruck brachten. Mein Vater war im Bereich Hip-Hop tätig, da drehte sich viel um Style und Mode. Er war immer gut gekleidet und achtete auf sein Aussehen, egal ob er Anzüge oder legere Sportswear trug. Er ist ein großer Basketballfan und hat mich an den Sport herangeführt. Dabei ist mir aufgefallen, dass Basketballspieler und Künstler – besonders Hip-Hop-Interpreten – so ziemlich den gleichen Style haben. Da ich bereits in meiner Kindheit mit der Basketball- und Hip-Hop-Kultur in Berührung kam, spielte Sportswear – speziell die von Nike – schon früh eine Rolle in meinem Leben. Mein Vater liebte es, mich in Jordans zu sehen. Es gibt sogar ein Bild von mir, auf dem ich kaum ein Jahr alt bin und bereits Jordans trage. Als ich Jordan [später] im Fernsehen sah und feststellte, dass er die gleichen Schuhe trug, war das das beste Gefühl überhaupt. Sneaker sind für mich einfach schon immer Statement-Pieces.
Hast du mit deinem Vater jemals darüber diskutiert, welcher Jordan der beste ist?
Ich bin mir nicht sicher, ob es jemals zu einer Diskussion kam. Mein Vater hatte nämlich immer Recht. Das beste Modell ist zweifelsohne der Nike Air Jordan 11 "Concords". Als ich das erste Mal die klassische, elegante Silhouette mit Lackleder im Stadionlicht auf dem Parkett glänzen sah, war ich total geflasht.
Du wurdest vom individualistischen Style beeinflusst, für den die NBA und der Hip-Hop bekannt sind. In Japan aufzuwachsen, bedeutete jedoch auch, dass diese Originalität nicht unbedingt gerne gesehen war. Wie ist es dir gelungen, ein gutes Gleichgewicht zu finden?
Das ist tatsächlich ein ziemlich interessantes Thema. Wenn man [in Japan] zur Schule geht, geht es mehr darum, sich anzupassen und nicht aufzufallen. Ich fühlte mich [also] allein schon wegen meiner ethnischen Herkunft täglich als Außenseiter. Ich war etwas anders und das wusste ich. Aber ich wollte mich trotzdem einordnen und versuchte daher, mich wie die anderen Kinder zu kleiden. Doch irgendwann konnte ich nicht mehr ignorieren, dass ich ziemlich groß war und einfach anders aussah. Ab diesem Moment wurde mir klar, dass es nichts bringt, mich auf eine bestimmte Art und Weise zu kleiden, weil ich immer anders aussehen werde. Warum also nicht einfach das tun, was ich will, und meine eigenen Sachen tragen? Das hat allerdings eine ganze Weile gedauert. Wahrscheinlich habe ich erst in der Highschool oder im College gemerkt, dass mir meine Erfahrungen dabei helfen, mein eigenes Ding zu machen – sowohl in Bezug auf Kreativität als auch auf Style.
"Bei allem, was ich tue, geht es mir um künstlerischen Ausdruck."
Im Vergleich zum Basketball gibt es beim Laufsport nicht viele Fashion-Ikonen oder Influencer. Wie hat das Laufen deinen persönlichen Look beeinflusst?
Ich habe im College mit dem Laufen angefangen. Mein Style ist dadurch tatsächlich individueller geworden. Wahrscheinlich deshalb, weil das Laufen nie wirklich so viel "Straßenpräsenz" hatte. Musiker oder Menschen mit Fashion-Hintergrund trugen keine Laufkleidung, außer natürlich beim Laufen. Als mir das aufgefallen ist, habe ich mir gedacht, es wäre cool, den Lauflook in meine [Alltagsoutfits] zu integrieren. Durch die schmäleren Passformen und kürzeren Shorts, wie sie für Laufkleidung typisch sind, hat sich mein Look verändert. Ich fing an, mehr auf Größen und Passformen zu achten. Schlussendlich kann ich sagen, dass das Laufen mein gesamtes Erscheinungsbild beeinflusst hat. So habe ich beispielsweise einige legendäre Laufstyles von Nike, wie die Nike Laufjacken im Vintage-Design, in meine Alltags-Outfits integriert. Das ermöglichte es mir, klassische Looks mit meinem ganz persönlichen Style zu kombinieren.
"Es bringt nichts, mich auf eine bestimmte Art und Weise zu kleiden, weil ich immer anders aussehen werde. Warum also nicht einfach das tun, was ich will, und meine eigenen Sachen tragen?"
Genau wie Musik und Mode ist auch das Laufen etwas, was man alleine oder in der Gruppe tun kann. Wie ist es für dich, mit dem AFE-Laufclub zu laufen?
Der Leiter und Gründer von AFE, Mr. DKJ, inspiriert mich, weil seine Vision für das Team wirklich einzigartig ist [und er] eine so große Liebe zum Sport hat. Er versteht, dass Zusammenhalt innerhalb des Teams wichtig ist. Außerdem legt er keinen großen Wert auf die typisch japanische Kultur der Altershierarchie. Das schafft eine angenehme Atmosphäre, in der sich junge Mitglieder genauso wohlfühlen wie die Veteranen im Team. Ich kenne keine Läufer:innen in Tokio, die das Laufen ernster nehmen als die Mitglieder des AFE-Laufclubs. Sie sind jedoch auch immer für einen Spaß zu haben und sehr um Zusammenhalt bemüht. Wenn wir uns beispielsweise nach dem Laufen noch auf ein paar Drinks treffen, sind immer alle mit dabei. Außerdem wissen die AFE-Läufer:innen, wie ein gutes Gleichgewicht zwischen Lauftraining und Privat- bzw. Arbeitsleben auszusehen hat. Die Stimmung im Team ist nie schlecht. Alle lieben es, über Neuheiten im Laufsport zu reden – und zwar nicht nur über Schuhe, sondern auch über Mode, Ausrüstung und andere coole Dinge.
Es scheint, als hätten alle deine Interessen eines gemeinsam: Du willst damit deine Kreativität zum Ausdruck bringen. Findest du, dass das Laufen deine künstlerischen Ambitionen ergänzt?
Bei allem, was ich tue, geht es mir um künstlerischen Ausdruck. Das Laufen ist da keine Ausnahme. Jeder hat einen anderen Grund, warum er bzw. sie läuft. Ich laufe, weil Sport für mich Teil eines großen Ganzen ist. Die Kunst des Laufens besteht darin, mithilfe körperlicher Aktivität mehr über sich selbst, seinen Geist und seine Kreativität zu erfahren. Das Laufen hilft mir dabei, kreativ zu sein. Das ist einer der Hauptgründe, warum ich dabeigeblieben bin. Wenn ich laufe, kann ich abschalten und den Kopf frei bekommen. Ich kann aber auch über viele unterschiedliche Dinge nachdenken. Wenn ich beispielswiese neue Ideen für mein nächstes DJ-Set brauche, gehe ich laufen. Sobald mein Körper warm wird, fließt auch meine Kreativität. Ich bin der Meinung, dass man beim Laufen ein Gefühl besser verstehen kann, als wenn man nur in seinem Zimmer sitzt und Musik hört.
Am liebsten [laufe] ich auf den belebten Straßen der Viertel Shibuya, Harajuku und Shinjuku. Ich genieße die wundervolle Aussicht, während ich meine Lieblings-House-Musik höre. Das Laufen hilft mir dabei, kreativ zu werden und positiv zu denken. Es bringt mich in den Flow und hat somit auch Einfluss auf meine anderen Hobbys und künstlerischen Ambitionen.
Text: Jon Moy
Fotos: Shun
Gemeldet: Oktober 2020