Straßentauglich: Nike Sole 2.0 x Össur Laufprothese

Innovation

Inspiriert von den Änderungen, die Adaptive Athletes eigenhändig an ihrer Ausrüstung vornehmen, um sie besser an ihre Bedürfnisse anzupassen, entwickeln Nike Designer innovative Lösungen für Laufprothesen. Hier stellen wir dir das neueste Modell vor.

Letzte Aktualisierung: 18. Oktober 2021
8 Min. Lesezeit

"Alles ist möglich" ist eine Serie über die bahnbrechendsten Innovationen aus Sport, Wellness und Performance.

Stell dir eine Weltklasse-Athletin vor, die mit Schere und Klebstoff ihre eigene Ausrüstung in der Garage zusammenbastelt.

Klingt verrückt, aber genau das war bei der Adaptive Triathlete Sarah Reinertsen der Fall. Sie sägte nämlich die Sohlen von Schuhen ab, um ihre spezielle Prothese für den Laufsport mit einer provisorischen Traktion zu versehen.

"Das können wir besser machen!", war die unmittelbare Reaktion von Tobie Hatfield, langjähriger innovativer Kopf bei Nike und ehemaliger Leichtathletiktrainer, als er Sarahs Lösung der Marke Eigenbau zum ersten Mal sah. So entstand Nike Sole 1.0, ein Schnellwechselsystem für Laufprothesen des Herstellers Össur. Es eröffnete Adaptive Athletes auf der ganzen Welt völlig neue sportliche Möglichkeiten, denn jetzt konnten abgenutzte Sohlen in Sekundenschnelle durch ein neues Profil ersetzt werden.

So revolutionär das Modell 1.0 auch war, "Wir entwerfen nie ein perfektes Produkt", wie Tobie im Film oben sagt und damit bestätigt, dass Innovationen keine Grenzen gesetzt sind. Neun Jahre später trieb eine neue Crew von Athlet:innen und innovativen Köpfen die Entwicklungen noch weiter voran.

Sieh dir den Film an, um mehr über die Entstehungsgeschichte der Nike Sole 2.0 zu erfahren, und lies anschließend weiter unten, wie George Xanthos, Lead Designer des Projekts, das Design fortführte.

Das ist George, Lead Designer der Nike Sole 2.0. (1) Nike Sole 1.0 Fotos von 2012. (2) Früher Prototyp des neuen und verbesserten Verschlusssystems der 2.0 in Aktion.

Phase 1: Probleme beim Befestigen
Fazit: Beginne mit Empathie – und Ambition

George hat bereits an funktionalen Innovationen wie Nike FlyEase (für einfaches An- und Ausziehen) und Nike Pulse (Schuhe mit hoher Dauerfestigkeit für Mitarbeitende im Gesundheitswesen) gearbeitet, daher ist ihm empathisches Design nicht neu. Darunter versteht man den Prozess, sich im wahrsten Sinne des Wortes in die Schuhe eines anderen hineinzuversetzen, um die jeweiligen Bedürfnisse und Anforderungen besser zu verstehen.

Für Nike Sole 2.0 bedeutete das, uns in die Welt der Träger:innen von Laufprothesen hineinzuversetzen. Stell dir vor, wie die anfangs erwähnte selbstgebastelte Lösung von Sarah nach ein paar Monaten des Tragens aussieht – von der Sohle unter ihrer Prothese wird nicht mehr viel übrig geblieben sein. Deshalb kommt dem Nike Sole Wechselsystem eine entscheidende Rolle zu, und deshalb war das Designteam entschlossen, Nike Sole 2.0 so zu konzipieren, dass man sie einfacher denn je befestigen und wieder abnehmen kann.

Doch damit nicht genug – das Team wollte auch verschiedene Optionen einführen. Wer will schließlich nur ein einziges Paar Schuhe? Was machen beispielsweise Athlet:innen, die von einer Sohle für die Straße auf Spikes für die Laufbahn wechseln müssen? "Laufprothesen sind teuer", weiß George. "Die meisten Adaptive Athletes können sich keine reine Wettkampfprothese leisten." Sie müssen also die Sohlen an ihrer Laufprothese wechseln können.

Die Schwierigkeiten und Herausforderungen bei der Entwicklung eines neuen Befestigungsmechanismus werden im Film oben ausführlich beschrieben – aber dieser hart erkämpfte Sieg war für George erst der Anfang eines langen Entwicklungsprozesses.

(1) Der paralympische Weitspringer Markus Rehm und George bei der Zusammenarbeit in der Firmenzentrale von Össur in Island. (2) Zeitlupenaufnahmen von Markus beim Testen von Prototypen. (3) Markus hatte seine Weitsprungprothese angepasst, um mit den vorderen Spikes so weit wie möglich vorne aufzusetzen.

Phase 2: Innovativer Kopf x Athlet:in
Fazit: Rechne damit, dass du dich irrst

Nachdem er per Nachtflug in Reykjavík gelandet war, fuhr George direkt zur Firmenzentrale von Össur Prosthetics, langjähriger Partner der Nike Sole Initiative, wo es nun galt, die monatelange Designarbeit auf die Probe zu stellen und ausgiebig zu testen.

Als erstes stand eine lange Arbeitssitzung mit dem paralympischen Weitspringer Markus Rehm an, bei der "Plan A" innerhalb weniger Minuten verworfen wurde. Beim Studieren der Zeitlupenaufnahmen von Markus beim Laufen und Springen stellten beide Männer fest, dass Georges ursprünglicher Prototyp keinen richtigen Bodenkontakt hatte!

Um Gewicht zu sparen, hatte er die Länge der Sohle offenbar ein bisschen zu kurz gehalten. "Ich sah sofort, dass Markus mit dem Prothesenfuß hinter dem Traktionsbereich aufsetzte", sagt George. Also ging es zurück in die Werkstatt. "Wir begannen, die Prototypen anzupassen und erneut zu testen."

Im Laufe eines hochproduktiven Wochenendes sollten noch viele neue Erkenntnisse hinzukommen. Um die Sohle weiter zu verbessern, wurden die Kunststoffstollen entfernt, die für Weitspringer:innen eine Rutschgefahr darstellen könnten, und die Spikes an den vordersten Rand verlagert, um eine gezielte Traktion zu erreichen.

(1) George erfuhr, dass nur sehr wenige Elite-Athlet:innen eine Mittelsohle (Dämpfung zwischen der Laufprothese und dem Spike-Pad) wollten – "Die Laufprothese an sich ist [bereits] eine große Sprungfeder." (2) Abhängig von ihrer Sportart verwenden verschiedene Athlet:innen unterschiedliche Spike-Konfigurationen. (3) Georges frei wählbare Spike-Pad-Option hat vorgekerbte Schnittrillen zur individuellen Anpassung.

Phase 3: Unerwartete Schwierigkeiten
Fazit: Nutz Rückschläge als Chance

Als Nächstes sammelte George in vielen Sitzungen in der Firmenzentrale von Össur das Feedback weiterer Adaptive Athletes von Weltklasseformat.

Gleich zu Beginn stieß er dabei auf ein großes Problem: Auf die Frage, ob sie das charakteristische Wechselsystem der Nike Sole verwenden würden, antwortete rund ein Dutzend der Athlet:innen mit einem klaren "Nein".

Im Gegensatz zu den meisten Adaptive Runners stehen diesen Top-Athlet:innen in der Regel mehrere Laufprothesen zur Verfügung, darunter ein spezielles Modell für Wettkämpfe. (Hier wird normalerweise eine entsprechend optimierte, stromlinienförmige Spike-Platte direkt aufgeklebt.)

Dieses unerwartete Problem bedeutete aber nicht, dass die ganze bisherige Arbeit komplett umsonst gewesen war. George erinnert sich, dass die Athlet:innen auch "schnell den Nutzen und Wert des Wechselsystems für Adaptive Athletes allgemein erkannten – und wie sie selbst zu Anfang ihrer Sportkarriere davon profitiert hätten, als sie auch nur eine Laufprothese hatten."

Anstatt nun die Meinung der Spitzenathlet:innen nicht in das aktuelle Projekt einzubeziehen, identifizierte George stattdessen eine ganz neue, enorm inspirierende Gruppe von Nutzer:innen.

"Ich stelle sie mir gerne als Rennwagenfahrer:innen vor", sagt George über Top-Läufer:innen und ihre Beziehung zu ihren Laufprothesen. "Sie feilen ständig am Motor, machen ihn immer leichter und nehmen Modifikationen vor. Das ist für mich als Designer extrem spannend."

George nutzte die Gelegenheit, eine frei wählbare Plattenoption mit Spikes weiter zu optimieren, um eine individuelle Anpassung zu ermöglichen, damit Weit- oder Hochspringer:innen ein anderes Setup zur Verfügung steht als beispielsweise Sprinter:innen.

Die natürliche Geometrie Islands diente als Inspiration zum Design der Sole 2.0, bei der ansteigende Rippen die Spikes umschließen und stützen und an der Außenkante sekundäre Traktionszähne bilden.

Phase 4: Inspirierender Ausflug
Fazit: Form kann zu Funktion führen

Nach einer Woche voller fachlicher Einblicke und Details, die ihm die Athlet:innen und Konstrukteur:innen von Össur vermittelt hatten, beschloss George, dass es Zeit für einige Sinnesanregungen und -eindrücke sei.

Er mietete sich ein Auto, besuchte die einzigartigen Sehenswürdigkeiten Islands, lauschte den Klängen der Insel und landete schließlich am Wasserfall Svartifoss – ein spektakuläres Naturwunder, das George als das beeindruckendste Erlebnis auf seiner Erkundungstour beschreibt.

"Durch die vertikal angeordneten Basaltsäulen sieht er aus wie eine riesige Pfeifenorgel", erinnert sich George. "Der visuelle Rhythmus, den sie erzeugen, ist atemberaubend. Die perfekte Kombination aus Geometrie und Natur."

Diese Inspiration übertrug er auf die Spike-Platte der Sole 2.0 – nicht nur in Sachen ansprechende Optik, sondern auch hinsichtlich ihrer praktischen Zweckmäßigkeit –, und versah sie mit abgeschrägten, übergangslos verstärken Rippen, um speziell beanspruchte Bereiche mit mehr Material auszustatten.

(1) Jedes Profildetail der neuen Laufsohle für die Straße erfüllt einen Zweck. (2) Zurück in den Nike Headquarters in Oregon standen George weniger Produkttester:innen zur Verfügung – aber wer wäre besser geeignet als Sarah, die das Team überhaupt erst zu dieser Entwicklung inspiriert hat?

Phase 5: Der letzte Feinschliff
Fazit: Es geht immer noch besser – was kommt als Nächstes?

Nachdem die Entwicklung der Spike-Platte nun auf einem guten Weg war, widmete sich George der Laufsohle für die Straße und ließ sich davon inspirieren, wie er die Nike Sole 1.0 seinerzeit zum ersten Mal in Aktion gesehen hatte: bei einem Event der Challenged Athletes Foundation (CAF) vor ein paar Jahren, bei dem Kinder einen Riesenspaß hatten und sich austobten.

"Junge Adaptive Athletes rannten auf Rasen und Asphalt, spielten Basketball und machten anderweitig Sport", erinnert er sich. "Sie waren so voller Energie und Optimismus, weil sie in den CAF-Kursen dank der Kombination aus Össur Laufprothese und Nike Sole hilfreiche Techniken lernen konnten, um sich besser zu bewegen."

George wollte Athlet:innen eine Lösung für möglichst viele Sportarten und die verschiedensten Beläge anbieten und erinnert sich, dass er "die besten Traktionselemente aus dem Basketball und dem Laufsport – Fischgrätenprofil und Stollen – nahm und versuchte, den perfekten Hybriden zu schaffen."

Das Ergebnis siehst du oben von der ersten Skizze bis zum fertigen Produkt. Aber wie jeder gute Innovator denkt George bereits über zukünftige Verbesserungen nach, darunter eine Fülle von sportartspezifischen Traktionsoptionen.

"Vielleicht werden wir eine noch robustere Lösung fürs Trail Running anbieten", überlegt er. "Und vielleicht eine für den Basketball, sodass man vier verschiedene austauschbare Sohlen haben könnte."

Oder mehr. Den Innovationen für Adaptive Athletes steht die Zukunft weit offen. Dazu George: "Wer weiß denn schon, was alles möglich ist?" Eines ist sicher: Er wird sein Bestes tun, um es herauszufinden.

Du willst auch eine haben? Wenn du oder jemand, den du kennst, wissen will, wie man an eine Nike Sole 2.0 kommt, besuch die Website unserer Freunde von Össur Prosthetics. Das Sole 2.0 Traktionssystem gehört bei ausgewählten Össur-Produkten zur Standardausstattung.

Video: Azsa West
Text: Brinkley Fox

Ursprünglich erschienen: 18. Oktober 2021