Gehirntraining für mehr Erfolg
Coaching
Was auch immer du für Ziele hast: Zwei Profi-Ultramarathonläufer zeigen dir, wie du das Durchhaltevermögen entwickelst, um sie zu erreichen.
Stell dir vor, du müsstest 160 Kilometer an einem Stück laufen. Das sind knapp vier Marathons hintereinander oder in etwa die Strecke von Hamburg nach Hannover. Bei einem konstanten Pace von 5:00 bis 5:20 Minuten pro Kilometer müsstest du um 9 Uhr morgens starten und ohne Pause bis abends 9 Uhr durchlaufen. Das ist jetzt nicht gerade ein Spaziergang.
Uns interessiert ausnahmsweise einmal nicht, was eine solche Distanz für deinen Körper bedeuten würde. Es geht vielmehr um die innere Einstellung, die du dafür brauchst: Zunächst einmal musst du deine Angst überwinden. Du brauchst Disziplin, um diese Herausforderung zu meistern. Und du musst ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass Schmerzen vorübergehen. All das sind mentale Ressourcen, die du meist schon aus dem Alltag kennst. Aber Ultramarathonläufer, die oft 60 Kilometer oder mehr laufen, scheinen noch andere mentale Energiequellen zu besitzen. Wie schaffen sie das? Und wie kannst auch du ein solches Durchhaltevermögen entwickeln, um deine Ziele zu erreichen? Die Nike Elite-Ultramarathonläufer und Coaches Sally McRae und David Laney erlauben dir einen Blick in ihre Welt.
1. Du brauchst einen Grund.
Eine aktuelle Studie, die in "Psychology Research and Behavior Management" veröffentlich wurde, hat einen wichtigen Unterschied festgestellt: Läufer, die sich auf kürzere Strecken konzentrieren, werden durch greifbare Ergebnisse wie Wettkampfsiege angetrieben. Ultraläufern hingegen geht es darum, ihre eigene mentale und physische Ausdauer auf den Prüfstand zu stellen. Wichtig ist dabei auch das Gefühl der Gemeinschaft mit Athleten, die ähnlich denken. Die Forscher gehen davon aus, dass der Lifestyle von Utraläufern eine große Rolle spielt.
Laney erzählt, dass er diese langen Strecken läuft, weil ihm einfach alles daran Spaß macht. "Ich liebe es, zu laufen. Ich liebe es, hart zu trainieren. Und ich liebe es, in den Bergen zu sein. Es geht mir darum, mich voll auf das zu konzentrieren, was ich gerade tue. Wie schon Churchill gesagt hat: Ich möchte am liebsten dem Moment befehlen, zu bleiben."
Für McRae hingegen steht vor allem der zweite Aspekt aus der Studie im Fokus. Für sie spielen ihre Erfolge (unter anderem 11 Siege) keine so große Rolle. "Was mich am Ultramarathon so begeistert, ist der Kontakt zu anderen Läufern aus der ganzen Welt", erzählt sie. "Ich liebe es, dass ich bei meinem Sport immer wieder neue Menschen kennenlerne und sie vielleicht sogar ein wenig inspirieren und ermutigen kann. Das war für mich immer wichtiger als jede Medaille."
Nehmen wir den Ultramarathon einmal als Metapher für jedes beliebige langfristige Ziel, also zum Beispiel für eine 30-tägige Ernährungs-Challenge oder das Erlernen einer neuen Sprache. Wenn du dich mehr von der Erfahrung motivieren lässt, die du dabei machst, als von dem Ergebnis, oder wenn du Gemeinschaft mit anderen erlebst, die dasselbe Ziel haben, dann wird es dir mit großer Wahrscheinlichkeit leichter fallen, dieses große Ziel zu erreichen.
"Ich liebe es, dass ich bei meinem Sport immer wieder neue Menschen kennenlerne und sie vielleicht sogar ein wenig inspirieren und ermutigen kann. Das war für mich immer wichtiger als jede Medaille."
Sally McRae
Nike Elite-Ultramarathonläuferin und Coach
2. Bereite dich auf den Worst Case vor.
"Bei einem Ultramarathon musst du immer darauf vorbereitet sein, dass du auf einmal vor noch nie dagewesenen Herausforderungen stehst", erklärt McRae. "Vielleicht erwischt dich bei Kilometer 44 auf einmal ein Gewitter, oder du musst noch einen weiteren Berg rauflaufen, oder dein Magen spielt verrückt … Solche Sachen passieren. Du musst dich mental darauf vorbereiten."
Laney hat zum Beispiel eine ganz eigene Methode, sich mental auf Schmerzen vorzubereiten: Regelmäßige Eisbäder. "Ich fülle eine Badewanne mit Eis und setze mich rein", erklärt er. "Nach fünf Minuten schreit jede Faser meines Körpers: 'Ich will hier raus'. Aber ich bleibe einfach sitzen und absorbiere den Schmerz. Manchmal bis zu 15 Minuten lang. Ich kontrolliere meine Atmung. Und irgendwann komme ich an den Punkt, an dem ich mir sagen kann: 'Nein, mir geht es gut'".
Das heißt jetzt natürlich nicht, dass du dich in einen Eiswürfel verwandeln musst, um dein Durchhaltevermögen zu stärken. Probier es zunächst einfach mit einer Methode aus der Psychologie namens "realistischer Optimismus". Oder überleg dir, was alles schief laufen könnte und entwickle einen Alternativplan dafür. Wenn du dann in eine Situation kommst, in der einfach alles schief läuft, lässt du dich davon nicht so schnell aus der Bahn werfen.
3. Visualisiere, was du tun möchtest.
Wie die meisten Eliteläufer nutzen auch McRae und Laney vor einem Wettkampf eine Form der Visualisierung. "Ich liebe es, mir die Strecke schon im Vorfeld vorzustellen", erzählt McRae. "Ich durchlebe jeden Teil in meinem Kopf, bevor ich schlafen gehe. Ich sehe jeden Berg und weiß genau, wo die Verpflegungsstationen sind. Ich stelle mir vor, wie ich jede Station anlaufe und was ich dort genau mache."
Laneys Strategie hingegen entspricht genau dem, was man sich von einem Athleten vorstellt, der sich in Eiswasser setzt, um seinen Geist zu trainieren. "Ich gehe das Problem direkt an", betont er. "Ich weiß, dass ich mich nicht auf die angenehmen Situationen vorbereiten muss. Deshalb stelle ich mir lieber vor, wie es sein wird, wenn es richtig heiß wird und ich unglaublichen Durst habe oder mein Magen verrücktspielt und die nächste Verpflegungsstation noch 5 Kilometer weg ist."
Beide Formen der Visualisierung verfolgen dasselbe Ziel: Sich mental auf das Erwartbare und das Unterwartete vorzubereiten, um für den Ernstfall passende Reflexe parat zu haben und sich besser fokussieren zu können. Und das kann man nicht nur bei ultralangen Läufen gut gebrauchen. Wenn du am nächsten Morgen einen Lauf geplant hast, versuch doch mal, dir am Abend vorher jedes Detail deiner Strecke vorzustellen, den Wind auf deiner Haut zu spüren, die Songs deiner Playlist im Geist zu hören. Du wirst sehen: Wenn du dann am Morgen losläufst, wird alles ein bisschen schneller gehen und du wirst mehr Spaß haben.
"Es ist wichtig, dass du dich immer daran erinnerst, dass du der Kapitän deines Schiffs bist. Wenn du dir immer wieder sagst 'Es wird irgendwann auch wieder besser' und 'So ist es nun einmal', dann gibt dir das ein Stück Sicherheit zurück, wenn du das Gefühl hast, alles gerät außer Kontrolle."
David Laney
Nike Elite-Ultramarathonläufer und Coach
4. Sei dein eigener Coach.
"Es ist wichtig, dass du dich immer daran erinnerst, dass du der Kapitän deines Schiffs bist", erklärt Laney. "Wenn du dir immer wieder sagst 'Es wird irgendwann auch wieder besser' und 'So ist es nun einmal', dann gibt dir das ein Stück Sicherheit zurück, wenn du das Gefühl hast, alles gerät außer Kontrolle." Wenn Laney davon spricht, "sich selbst etwas zu sagen", dann bezieht er sich auf die Methode des "Selbstgesprächs". Diese Strategie ist essenziell wichtig, wenn du stundenlang auf dich selbst gestellt bist (also zum Beispiel bei einem Ultramarathon). Du musst deinen inneren Dialog bewusst gestalten und in der Lage sein, dich selbst zu inspirieren, wenn du es wirklich brauchst.
Auch McRae nutzt Selbstgespräche. "Was mir wirklich hilft, ist der Spruch 'Nicht denken, einfach laufen'", erzählt sie. "Oft kann dein Geist auch dein größter Feind sein. Zum Beispiel, wenn du dir immer wieder sagst: 'Oh, das hört nie auf.' Aber wenn du solche Phasen überwindest, dann schaffst du es bis zur Ziellinie und erreichst unglaubliche Dinge."
Was all diesen Strategien gemeinsam zu sein scheint ist der Gedanke, dass es sich bei jeder Situation immer nur um einen Moment handelt. Erinnere dich beim nächsten Workout, Lauf oder Spiel daran, oder auch einfach, wenn dich das Leben mal wieder zu überrollen droht. Wenn es Laney und McRae auf diese Weise schaffen, auch noch die 12. Stunde eines Ultramarathons zu überstehen, dann helfen dir diese Strategien auch durch einen harten Tag.
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