Expert:innen erklären das Iliotibialband-Syndrom (ITBS)
Sport und Bewegung
Fühlst du ein Ziehen oder Stechen seitlich am Bein oder an der Hüfte? Das könnte ein Zeichen für das iliotibiale Bandsyndrom (ITBS) sein – auch bekannt als Läuferknie.
Sport ist eine der besten Methoden, mit denen du dein Wohlbefinden verbessern kannst. Er sollte immer Teil einer ganzheitlichen Gesundheitsvorsorge sein. Neben Kraft- und Beweglichkeitstraining gehört auch ausreichend Zeit für die Regeneration dazu, um häufig auftretende Belastungsverletzungen wie das Iliotibialband-Syndrom zu vermeiden.
Was ist das IT-Band?
IT-Band ist die Abkürzung für "Iliotibialband". Dabei handelt es sich um das Gewebe, das alle seitlichen Strukturen von der Außenseite der Hüfte bis hin zum Knie verbindet, erklärt Vinh Pham, Physiotherapeut und Gründer von Myodetox.
Im Gegensatz zu seinem Namen ist das IT-Band kein Muskel. Es kann sich weder ausdehnen noch zusammenziehen. Kurz gesagt handelt es sich um Bindegewebe, das von der Hüfte (dem Ilium) bis zum Scheinbein (der Tibia) verläuft, also bis zum Knie, erläutert Simon M. Brossier, Physiotherapeut am NYU Langone Orthopedic Center.
Das IT-Band befindet sich also an der Außenseite des Oberschenkels. Das dichte Fasziengewebe verbindet aber auch deinen Gluteus Medius (einer der drei Gesäßmuskeln, die die obere Seite deines Gesäßes bilden; er liegt zwischen dem Gluteus Maximus und dem Gluteus Minimus) mit deinem Vastus Lateralis (dem größten Teil deines Quadrizeps), deinem Tensor Fasciae Latae (auch TFL, verläuft auf der oberen Vorderseite des Beins in der Nähe der Hüfte) und deiner seitlichen hinteren Oberschenkelmuskulatur, so Pham.
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Das IT-Band gleicht einem Gummiband. Es ist elastisch, stützt Hüfte und Knie und verleiht ihnen Stabilität, "und hilft insgesamt, effizienter zu laufen und zu gehen. Es verteilt die Kräfte auf Hüfte und Knie", so Brossier.
Was ist das IT-Band-Syndrom und wodurch wird es verursacht?
"Im Grunde handelt es sich dabei um eine Reizung des IT-Bands", erklärt Pham. Das IT-Band verbindet die Strukturen im Bein miteinander, und bei bestimmten, meist weniger effizienten (Zug-)bewegungen kann es zu dieser Reizung kommen.
Immer, wenn du deine Beine einsetzt – beim Laufen, beim Radfahren, beim Gewichtheben – und dir fehlt die nötige Stabilität in der Hüfte, steigt das Risiko für ein IT-Band-Syndrom.
Lange dachten Expert:innen, das IT-Band-Syndrom werde durch die wiederholte Reibung der Knochenbereiche an der Außenseite des Knies verursacht, aber das ist nicht notwendigerweise der Fall, so Brossier. Es gibt ein empfindliches Fettpolster (ein Punkt mit Fettgewebe) in der Nähe des Knochens an der Außenseite des Knies, das Reibung absorbiert. "Wir gehen heute mehr und mehr davon aus, dass beim IT-Band-Syndrom das IT-Band auf dieses Fettpolster drückt, denn es verläuft direkt darüber. Durch diesen wiederholten Druck und die Reibung kann es zu Schmerzen an der Außenseite des Knies kommen", erklärt Brossier.
Eine weitere Ursache für das IT-Syndrom kann eine zu starke Innenrotation der Hüfte beim Laufen sein, fährt Pham fort.
"Es geht eigentlich immer um die korrekte Ausrichtung. Wenn der Fuß auf dem Boden aufkommt, verursacht das eine Rotation. Ist diese Rotation zu stark, wird auch der Zug zu stark", ergänzt er.
Dein Oberschenkelknochen rotiert natürlicherweise nach innen, aber wenn du nicht genug Kraft in der Hüfte hast, "rotierst du zu viel und die Strukturen geraten unter zu starken Zug", fährt er fort.
Übungen, die du mit einem IT-Band-Syndrom nicht machen solltest
Wie du weißt, ist es immer wichtig, auf deinen Körper zu hören und dir medizinische Hilfe zu holen, um das Problem individuell anzugehen.
Laut Brossier sind alle Übungen und Bewegungen in Ordnung, die sich höchstens etwas unangenehm anfühlen und den Schmerz nicht verstärken. Wenn du dich aber mit einer Übung nicht wohlfühlst, solltest du das als Zeichen verstehen, aufzuhören oder die Bewegung zu modifizieren.
Bestimmte Übungen, bei denen du Hüfte und Beine in eine Position bringst, die die Spannung auf die Außenseite des Beins verstärkt, solltest du laut Brossier allerdings vermeiden. Dazu gehören zum Beispiel gekreuzte Ausfallschritte. Auch Positionen, bei denen das Bein nach innen gedreht und vor dem Körper gekreuzt wird, können das IT-Band weiter reizen.
IT-Band-Syndrom verhindern und behandeln
Krafttraining ist der beste Weg, um ein IT-Band-Syndrom zu verhindern. Das gilt vor allem für Läufer:innen, die ihre Leistung verbessern und Verletzungen vorbeugen möchten, erklären Brossier und Pham.
"Wichtig sind dabei Übungen auf einem Bein oder auf einer Seite. Damit erreichst du am meisten", erklärt Brossier
Da es hauptsächlich um Kraftaufbau geht, empfiehlt Brossier, Gewichte erst zu verwenden, wenn du ausreichend trainiert bist, und auch dann keine zu schweren Gewichte zu nehmen. Du solltest in der Lage sein, drei oder vier Sätze mit bis zu 12 Wiederholungen zu machen.
"Aber es sollte auch nicht so leicht sein, dass du das Gefühl hast, problemlos 20 Wiederholungen zu machen", ergänzt Brossier. Er empfiehlt, zunächst mit einer Krafttrainingseinheit pro Woche zu beginnen, sich dann auf bis zu drei Einheiten zu steigern und beim Training unbedingt auch auf ausreichende Regeneration zu achten.
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Pham wird noch etwas genauer und rät, sich auf die Stabilität der Hüfte zu konzentrieren und den Gluteus Medius zu stärken. Zu den Übungen, die bei einem IT-Band-Syndrom geeignet sind, gehört zum Beispiel der einbeinige Deadlift (mit oder ohne Gewicht), der später in einen einbeinigen Deadlift mit angewinkeltem Bein abgewandelt werden kann. Auch die Übung Storch, bei der du auf einem Bein stehst und mit dem anderen einen Ball an die Wand drückst, ist laut Pham eine gute Alternative.
Als Läufer:in solltest du außerdem deine Schrittfrequenz steigern, um die Belastung auf deine Knie zu reduzieren, empfiehlt Brossier. Die Schrittfrequenz ist ein wichtiger Faktor bei der Vermeidung eines IT-Band-Syndroms. Je mehr Schritte du in einer Minute machst, desto weniger Aufprallenergie muss dein Körper bei einem Schritt abfedern. "Vor allem, wenn die Knie empfindlich sind, ist es ist wichtig, die Belastung bei jedem einzelnen Schritt zu reduzieren", so Brossier.
Und was ist Massagen mit der Faszienrolle oder einer Massagepistole beim IT-Band-Syndrom? Da das IT-Band sehr kräftig ist, wird eine solche Massage wahrscheinlich kaum helfen. Der Placeboeffekt kann die Symptome vielleicht vorübergehend lindern, aber das Problem ist damit nicht behoben. Wichtig ist ein korrekter Laufstil und ausreichend Zeit für die sogenannte Prehabilitation, also für Kraftaufbau, Beweglichkeitstraining, Faszientraining und professionelle Massage des Tiefengewebes.
Um ein IT-Band-Syndrom zu vermeiden oder zu behandeln, sollte der ganze Körper betrachtet werden, vor allem die individuelle Funktion des gesamten Beins. Pham empfiehlt, sich Unterstützung durch Expert:innen zu holen, die die Symptome im Zusammenhang sehen und die Kraft von Fuß, Knie und Hüfte als Ganzes analysieren. So lassen sich Symptome vermeiden und lindern.
Auch Pausen sind wichtig. Das bedeutet aber nicht, dass du dein Training unterbrechen musst. Lass es einfach langsam angehen und nutze die Zeit, um dich näher mit der Mechanik deiner Beine zu beschäftigen und zu lernen, wie du dich effizient bewegst, so Pham.
Kurz gesagt: Du darfst weiter Sport machen. Das solltest du sogar, denn auch zu wenig Bewegung kann ein IT-Band-Syndrom verstärken. Hör einfach auf deinen Körper. Wenn sich das IT-Band-Syndrom durch diese Tipps nicht bessert, such dir Unterstützung durch sportmedizinische Rehabilitationsexpert:innen, die Erfahrung mit der Arbeit mit Athlet:innen haben. Sie helfen dir, dein Training so zu gestalten, dass du wieder fit wirst.
Text von Tamara Pridgett