Macht Laufen die Beine stärker?
Aktivität
Laufen wirkt sich mehr auf deinen Körper aus, als du vielleicht denkst.
Wenn du deine Beinmuskulatur stärken möchtest, ist Widerstandstraining am besten. Kniebeugen mit Gewichten, Ausfallschritte und Hüftheben sind großartige Übungen, um den Unterkörper zu trainieren. Aber was wäre, wenn wir dir sagen würden, dass Laufen deine Beinmuskulatur ebenfalls stärken kann?
"Laufen kräftigt deine Beine, indem es die Muskeln an den Hüft-, Knie- und Knöchelgelenken trainiert", sagt Kaleigh Ray, ACSM-zertifizierte Trainingsphysiologin und Lauf-Biomechanikerin bei Treadmill Review Guru. "Zu diesen Muskeln gehören der Iliopsoas, die Gesäßmuskeln, der Quadrizeps, die hintere Oberschenkelmuskulatur, die Waden und der vordere Schienbeinmuskel."
Wie werden Muskeln eigentlich stärker und welche Kraftarten gibt es?
Um Muskeln aufzubauen, musst du deinen Körper nach dem sogenannten Überlastungsprinzip einem neuen, anspruchsvollen Reiz aussetzen. Der Belastungsreiz verursacht einen Abbau der Muskelfasern, auch Muskelproteinabbau genannt. Während des Heilungsprozesses, der sogenannten Muskelproteinsynthese (Muscle Protein Synthesis, MPS), werden die Muskelfasern mithilfe der richtigen Ernährung stärker.
Ray sagt, dass drei Dinge nötig sind, damit Muskeln größer und stärker werden: Hypertrophie (die Vergrößerung eines Muskels), Remodeling (schrittweise Änderung des Trainingsprogramms) und neuromuskuläre Anpassungen (verbesserte Kommunikation zwischen Muskeln und Nervensystem).
Es ist aber auch wichtig, den Unterschied zwischen Hypertrophie und Kraftaufbau zu verstehen. Ray sagt, dass die beiden zwar eng miteinander verbunden sind, aber nicht dasselbe bedeuten. "Hypertrophie, also Muskelwachstum, dient eher einem ästhetischen Ziel, kann sich aber nachteilig auf das Laufen auswirken, da mehr Muskelmasse die Laufgeschwindigkeit verringert", erklärt sie. "Wenn du dich jedoch auf den Kraftaufbau konzentrierst, kannst du deine Muskelmasse und Leistungsfähigkeit effizienter steigern – ohne dabei übermäßig an Masse zuzulegen."
Das soll nicht heißen, dass du Angst davor haben musst, beim Trainieren Muskeln aufzubauen – im Gegenteil! Das wird ganz natürlich passieren.
So stärkst du verschiedene Arten von Muskelfasern
Je nach Art der Belastung, also z. B. bein Sprint oder beim Long Run, lassen sich die jeweiligen Muskelfasern, die auf den Reiz reagieren, weiter stärken. Zur Erklärung: Es gibt zwei Hauptarten von Skelettmuskelfasern: langsam kontrahierende (Typ-1-Muskelfasern) und schnell kontrahierende (Typ-2-Muskelfasern). Langsam kontrahierende Muskelfasern ermüden nicht so schnell, arbeiten dafür aber langsamer und können keine große Kraft aufbringen. Schnell kontrahierende Muskeln ermüden dagegen etwas leichter, erzeugen aber viel schneller und deutlich mehr Kraft.
Bei langen Läufen helfen dir die langsam kontrahierenden Muskelfasern dabei, das Tempo über die gesamte Strecke hinweg zu halten. Wenn du aber etwas schneller läufst, etwa bei einem Sprint, werden die schnell kontrahierenden Muskelfasern beansprucht. In den Beinmuskeln treten beide Muskelfasertypen auf. Um Kraft aufzubauen und deine Kondition zu verbessern, sollte dein Trainingsprogramm daher idealerweise sowohl Ausdauerläufe als auch Speed Runs enthalten.
"Anspruchsvolles Tempo stellt hohe Anforderungen an die Muskeln, sodass sie effizienter werden müssen, um eine höhere Kraft zu erzeugen", sagt Ray. "Wenn du hingegen über einen längeren Zeitraum läufst, müssen deine Muskeln ermüdungsresistenter werden oder in der Lage sein, wiederholt eine bestimmte Kraft aufzubringen." Daher sind beide Arten von Workouts wichtig, um die Muskelkraft und -ausdauer zu verbessern.
Bei Laufprogrammen für Anfänger:innen liegt der Schwerpunkt in der Regel erst einmal auf der Entwicklung einer soliden Grundlagenausdauer. Beginne damit, an mehreren Tagen pro Woche in einem angenehmen Tempo mit geringer Intensität zu laufen, bevor du mit Tempo-Workouts beginnst. Auf diese Weise kann dein Körper der zusätzlichen Belastung besser standhalten und das Verletzungsrisiko wird verringert.
Befolge als Nächstes das Prinzip der progressiven Überlastung: Führe nach und nach neue Herausforderungen ein, um deine Muskeln kontinuierlich zu stärken. Dein Körper stellt sich nämlich mit der Zeit auf die jeweilige Belastung ein, was wiederum bedeutet, dass sich deine Laufleistung erst dann verbessert, wenn du die Intensität, die Dauer und die Häufigkeit der Läufe erhöhst. Gleichzeitig kann die Einführung eines Kraftprogramms vor der Einbeziehung von Tempoläufen und Intervallen dabei helfen, Verletzungen vorzubeugen.
Trainingsziele für 5 Muskelgruppen
Von den vielen Muskeln, die beim Lauftraining beansprucht werden, werden fünf Hauptmuskeln besonders aktiviert, erklärt Colin Morrow, ACE-zertifizierter Personal Trainer, NASM-CES, Senior Fitness Manager und TRX-Trainingsexperte bei The Edge Fitness Clubs.
"Indem du unterschiedliche Strecken und Intensitäten in deine Laufroutine integrierst, kannst du diese Muskeln effektiv stimulieren, was mit der Zeit zu größerer Kraft und besserer Ausdauer führt", sagt er.
- Quadrizeps (Oberschenkelmuskeln)
"Der Quadrizeps ist für die Kniestreckung zuständig", erklärt er. "Diese Muskeln spielen während der Abstoßphase beim Laufen eine große Rolle." - Hintere Oberschenkelmuskulatur
"Die hintere Oberschenkelmuskulatur unterstützt die Kniebeugung und Hüftstreckung, was für den Vorwärtstrieb entscheidend ist", sagt Morrow. - Gesäßmuskulatur
"Die Gesäßmuskulatur hilft beim Stabilisieren des Beckens und Strecken der Hüfte. Damit liefert sie die Kraft, die für starke Schritte benötigt wird", erläutert er. - Gastrocnemius und Soleus (Wadenmuskulatur)
"Die Waden erleichtern die Plantarflexion des Knöchels, was für das Abstoßen und die Erzeugung von Vorwärtsdynamik wichtig ist", erklärt Morrow. - Hüftbeuger (Oberschenkelmuskeln)
"Die Hüftbeuger werden während der Schwungphase aktiviert, in der das Bein angehoben und die Schrittlänge vergrößert wird. Dies ist entscheidend für eine bessere Laufleistung", sagt er.
Die besten Lauf-Workouts zum Muskelaufbau
Nachdem du eine aerobe Grundausdauer aufgebaut hast, solltest du Geschwindigkeitseinheiten, Krafttraining und lange Läufe in deinen Trainingsplan integrieren. Sowohl Sprintintervalle als auch Krafttraining ein- bis zweimal pro Woche verbessern nicht nur deine sportliche Leistungsfähigkeit, sondern stärken in Kombination auch die Muskeln in deinen Beinen.
Sprint-Workouts
Ray weist darauf hin, dass beim Sprinten größere, schnell kontrahierende Muskeln aktiviert werden, auch bekannt als Typ-II-Muskelfasern. "Diese Muskelfasern sind für das Muskelwachstum wichtig, da sie stärker zur Hypertrophie neigen als Typ-I-Fasern, die üblicherweise beim Ausdauerlauf genutzt werden", sagt sie. "Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Sprint-Workouts zu Muskelhypertrophie führen, selbst bei trainierten Athlet:innen."
Auch für Langstreckenläufer:innen sind Sprint-Workouts geeignet. "Der Wechsel zwischen hochintensiven Sprints und Regenerationsphasen steigert sowohl die Muskelkraft als auch die kardiovaskuläre Fitness", sagt Morrow.
Bergauf- und Bergablauftraining
Expert:innen zufolge können sowohl Bergauf- als auch Bergabintervalle dabei helfen, verschiedene Muskeln in deinen Beinen zu stärken. "Läufe bergauf erhöhen den Widerstand und beanspruchen die Gesäßmuskeln, hinteren Oberschenkelmuskeln und Waden intensiver – all das fördert das Muskelwachstum", so Morrow.
Laut Ray kann jedoch auch das Laufen bergab deine Beinmuskeln stärken. Bergablaufen ist eine exzentrische Übung, bei der sich die Muskeln dehnen und die teilweise verhindert, dass dein Körper von der Schwerkraft zu schnell nach unten gezogen wird.
"Das stellt eine hohe Belastung für die Beinmuskulatur dar und kann zu Muskelkater, Ermüdung und Schäden führen", sagt Ray. "Läufer:innen können das Bergabtraining aber in der richtigen Dosis zu ihrem Vorteil nutzen." Sie erklärt, dass derselbe Mechanismus, der Muskelschäden verursacht, auch das Muskelwachstum anregt.
Kleiner Tipp: Führe nach und nach mehr hügelige Straßenstrecken oder Trailläufe in dein Training ein. "Beim Traillaufen werden die stabilisierenden Muskeln und die Unterschenkel durch Unebenheiten auf der Strecke stärker beansprucht, was eine zusätzliche Herausforderung darstellt", sagt Morrow.
Lange Läufe und Krafttraining
Die Verbesserung deiner Fitness wirkt sich nicht nur positiv auf deine aerobe Grundausdauer aus, sondern stärkt auch deine Beinmuskulatur.
"Viele Athlet:innen beschäftigen sich mit dem 'Interferenzeffekt', der den Eindruck erweckt, dass Ausdauertraining das Muskelwachstum durch Widerstandstraining behindern kann. Aktuelle Forschungsergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass die Kombination aus Ausdauer- und Krafttraining bessere Ergebnisse liefert", so Ray.
Solange du weiterhin genügend Energie tankst und täglich ausreichend Eiweiß zu dir nimmst, kannst du deine Muskelmasse auch dann noch erhöhen, wenn du länger läufst, sagt sie.
Zusätzliche Tipps
Die Ernährung ist ein wesentlicher Bestandteil des Muskelaufbaus, wobei Eiweiß die wichtigste Rolle spielt. Die International Society of Sports Nutrition (ISSN) empfiehlt Sportler:innen, täglich 1,4 bis 2 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht aufzunehmen, damit Muskelmasse aufgebaut und erhalten werden kann.
"Langstreckenläufer:innen sollten sich während ihrer Trainingsläufe richtig versorgen, um zu vermeiden, dass ihr Körper bei niedrigen Kohlenhydratspeichern Protein als Energiequelle nutzt", sagt Ray. Generell unterstützt die tägliche Zufuhr von ausreichend Eiweiß auch die Reparatur und das Wachstum der Muskeln, fügt Morrow hinzu.
Die Regeneration ist ein weiterer Aspekt, der nicht vergessen werden darf. An den Tagen nach dem Intervalltraining solltest du deinem Körper eine Pause gönnen. Es gibt einen Unterschied zwischen aktiver und passiver Regeneration. Um die Beweglichkeit deiner Gelenke aufrechtzuerhalten und deinem Körper Zeit zu geben, wieder auf die Beine zu kommen, kannst du beispielsweise Übungen zur aktiven Regeneration wie Radfahren, Schwimmen oder Yoga machen. Passive Regeneration bedeutet, dass du dich ohne Bewegung ausruhst. Es ist völlig in Ordnung, ein paar Tage komplett zu pausieren. Entscheidend ist, dass du auf deinen Körper hörst und weißt, was er braucht.
Schlaf ist ebenfalls essenziell für eine optimale Erholung nach dem Training. "Tiefer, erholsamer Schlaf ist entscheidend für die Muskelregeneration und das Wachstum – er hilft dem Körper, sich nach intensiven Workouts zu erholen", sagt Morrow. Zu wenig Schlaf wird sogar mit einer verminderten Muskelkraft in Verbindung gebracht.
Verfasst von Cheyenne Buckingham