Sollte ich Cardio-Trainings vor oder nach Krafttrainings machen?
Sport und Bewegung
Das sagen Expert:innen zu diesem heiß diskutierten Thema.
Workouts, die sowohl aerobe Übungen (Cardio) als auch Widerstandstraining (Krafttraining) beinhalten, können eine effiziente Möglichkeit sein, mehrere Muskelgruppen gleichzeitig zu trainieren. Außerdem kann ein Wechsel der Trainingsmethode nach der Hälfte der Session für Abwechslung sorgen und die Motivation fördern. Aber die Frage ist: Solltest du Cardio-Training vor oder nach dem Gewichtheben machen?
Oder vielleicht doch lieber zwei separate Workouts an einem Tag? Dabei würdest du ein komplettes Workout in der ersten Tageshälfte machen und dann eine zweite volle Einheit zu einem späteren Zeitpunkt. Ob das für dich machbar ist, hängt in der Regel von anderen Faktoren ab, zum Beispiel, ob du es zeitlich überhaupt einrichten kannst und wie du selbst am liebsten trainieren möchtest.
Vielleicht ist es am besten, wenn du Kraft- und Cardio-Training jeweils an verschiedenen Tagen machst. Wie auch immer du diese Workouts in deinen Trainingsplan einbaust: Wichtig ist, dass du sie beide regelmäßig durchführst.
(Verwandter Artikel: Alles, was du über Kombinationsübungen wissen solltest)
Die Bedeutung von Cardio- und Widerstandstraining für dein Trainingsprogramm
Bevor wir näher auf dieses viel diskutierte Thema eingehen, ist es hilfreich zu verstehen, warum es sinnvoll ist, beide Trainingsformen in deine wöchentliche Workoutroutine aufzunehmen.
Aerobe Übungen verbessern die kardiorespiratorische Fitness, d. h. die Fähigkeit von Herz und Lunge, Sauerstoff zur Energiegewinnung an die Muskeln zu transportieren. Widerstandstraining hingegen trägt zum Aufbau von Muskelmasse und zur Verbesserung der Kraft bei. Diese Art von Training beansprucht auch die Knochen auf positive Weise und trägt dazu bei, Knochenschwund zu verhindern und stärkere und dichtere Knochen aufzubauen.
Ein regelmäßiges Trainingsprogramm, das sowohl aerobe Übungen als auch Widerstandstraining umfasst, kann dazu beitragen, chronische Krankheiten wie Krebs, Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen und Demenz vorzubeugen.
Zur Orientierung: Als Richtwert für die aerobe körperliche Aktivität gelten 150 bis 300 Minuten pro Woche bei mäßiger Intensität oder 75 bis 150 Minuten pro Woche bei mäßiger bis intensiver körperlicher Belastung. Beim Krafttraining sind es zwei Tage pro Woche, an denen alle wichtigen Muskelgruppen trainiert werden.
Eine im Jahr 2022 im British Journal of Sports Medicine veröffentlichte Studie zeigt sogar, dass du dein Sterberisiko im Vergleich zu Erwachsenen mit Bewegungsmangel um insgesamt bis zu 41 Prozent senken kannst, wenn du die Empfehlungen für körperliche Aktivität (sowohl aerobe Übungen als auch Widerstandstraining) einhältst.
Allein durch Gewichtheben konnte das Sterberisiko insgesamt nur um 9 Prozent gesenkt werden, wohingegen ausschließlich aerobes Training die Sterbewahrscheinlichkeit um 32 Prozent verringerte. Diese Daten legen nahe, dass eine Kombination aus aeroben und anaeroben Übungen im Vergleich zu nur einer der beiden Trainingsformen die wirksamste Methode ist, um chronischen Krankheiten vorzubeugen und die Lebenserwartung zu erhöhen.
Beispiele für aerobes Training sind:
Beispiele für Kraft-Workouts sind:
- Bodyweight-Übungen, also Übungen mit dem eigenen Körpergewicht
- Gewichtheben
- Training mit Widerstandsbändern
- Trainieren mit Geräten zum Krafttraining
Sollte ich Cardio lieber vor oder nach dem Gewichtstraining machen?
Wenn du beides in einer Session kombinierst, empfiehlt es sich generell, zuerst Gewichte zu heben und dann Cardio zu machen, sagt Enja Schenck, Sportwissenschaftlerin sowie Kraft- und Konditionstrainerin. Sie erklärt, dass sich aerobes Training vor dem Krafttraining nachweislich negativ auf den Kraftzuwachs auswirkt, aber nicht umgekehrt.
Chris Travis, N.A.S.M.-zertifizierter Personal Trainer, stimmt dem zu. "In den meisten Fällen ist Cardio-Training nach dem Krafttraining vorteilhafter als umgekehrt", sagt er.
Das liegt daran, dass Cardio – Laufen, Indoorcycling, HIIT oder Zirkeltraining – deine Herz- und Atemfrequenz erhöht und einfach ziemlich anstrengend sein kann.
"Der Körper sollte nicht schon vor dem Widerstandstraining ermüdet sein", so Travis.
Er erklärt, dass ein Trainingsprogramm, das mit Cardio beginnt, Muskelkraft und Leistungsfähigkeit beeinträchtigen könnte. Studien haben gezeigt, dass du mit Krafttraining vor dem Ausdauertraining schwerere Gewichte heben kannst (und so deine Kraft mit der Zeit verbessern kannst), als wenn du vor dem Krafttraining Cardio-Übungen machst. Diese Studien kommen auch zu dem Schluss, dass ein Krafttraining vor einem Cardio-Training die Fähigkeit, die kardiorespiratorische Fitness zu verbessern, nicht beeinträchtigt.
Wenn du beim Gewichtheben schon ermüdet bist, kann sich das negativ auf das korrekte Ausführen der Übungen auswirken und dein Verletzungsrisiko erhöhen.
"Ich rate den Leuten davon ab, mit einer intensiven Cardio-Einheit zu beginnen", sagt Travis. Widerstandstraining ist für die Muskeln sehr anstrengend. Idealerweise solltest du nicht ermüdet ins Krafttraining gehen. Daher ist es sinnvoll, das Widerstandstraining vorzuziehen, fügt er hinzu.
Wenn du auf Kraftaufbau trainierst
Wenn es dir vor allem darum geht, stärker zu werden, empfiehlt Schenck, Cardio- und Widerstandstraining an unterschiedlichen Tagen durchzuführen. Untersuchungen zeigen, dass die Trennung der beiden Übungsformen eine Reihe von Vorteilen bietet.
Eine Meta-Analyse, die 2021 in der Fachzeitschrift Sports Medicine veröffentlicht wurde, kommt zu dem Schluss, dass die Kombination von Cardio- und Krafttraining in einer einzigen Trainingseinheit zwar weder das Muskelwachstum noch den Kraftzuwachs beeinträchtigt, jedoch die Messwerte für die Explosivkraft verringert. Dies bezieht sich auf die Fähigkeit einer Person, Kraft oder Leistung zu erzeugen. Die Explosivkraft wurde in der Studie anhand von Squat Jumps und Beinpresse gemessen. Wenn ein bestimmtes Training auf diese Art von Übungen ausgerichtet ist, kannst du sie für sich alleine an einem Tag ohne Cardio-Training durchführen.
(Verwandter Artikel: Der Grund, warum du mit Squats keine Gesäßmuskulatur aufbaust – und wie du das Problem beheben kannst)
Weitere Untersuchungen zeigen, dass Kraft- und Cardio-Training an getrennten Tagen (im Vergleich zu einer gemeinsamen Trainingseinheit) mit einem höheren Fettabbau verbunden sind, was wichtig ist, um Herz- und Stoffwechselerkrankungen vorzubeugen.
Im Idealfall sollten mindestens 24 Stunden dazwischen liegen, so Schenck. So hat dein Körper genügend Zeit, sich zu erholen. Indem du diese Trainingsformen voneinander trennst, kannst du bei den einzelnen Trainingseinheiten auch Energie sparen. Es liegt auf der Hand: Wenn du beide Workouts in einem Durchgang absolvierst, fühlst du dich während des Krafttrainings vielleicht großartig, während des Cardio-Trainings aber müde.
An Tagen, an denen sowohl Cardio- als auch Widerstandstraining sinnvoll sind, können diese Tipps jedes Workout noch effektiver machen. Aber vergiss nicht, dir genügend Zeit zum Regenerieren zu nehmen. Wichtig ist, dass du auf deinen Körper hörst und dich nicht überanstrengst. Deine Kraft und Ausdauer werden nicht sofort wieder abnehmen, nur weil du eine oder zwei Trainingseinheiten ausgelassen hast.
- Trennung der einzelnen Workouts. Bei zwei getrennten Trainingseinheiten pro Tag zeigen einige Studien, dass zwischen den beiden Arten von Workouts eine Erholungszeit von mindestens sechs Stunden liegen sollte. Eine Erholungszeit von 24 Stunden ist jedoch für die Verbesserung von Kraft, Leistung und V02max (ein Indikator für aerobe Fitness und Ausdauer) effektiver als zwei aufeinanderfolgende Trainingseinheiten oder eine Erholungszeit von nur sechs Stunden, so die Ergebnisse der Studie.
- Wer morgens Krafttraining macht, sollte nachmittags beim Cardio eine niedrige bis moderate Intensität einhalten, so Schenck.
- Cardio-Übungen für den Unterkörper und Kraftaufbau im Oberkörper (oder umgekehrt). Beispielsweise kannst du Widerstandstraining für den Oberkörper machen (z. B. Brustpressen oder Rudern), gefolgt von einem Cardio-Training für den Unterkörper (z. B. Laufen oder Radfahren). Alternativ kannst du auch Widerstandstraining für den Unterkörper machen (z. B. Squats und Deadlifts), gefolgt von Cardio-Training für den Oberkörper (z. B. Rudern und Battle Ropes).
In manchen Fällen empfiehlt es sich jedoch, das Widerstandstraining mit einem kurzen aeroben Workout zu beenden", sagt Travis.
- Als abschließendes Konditionstraining
Um deine Ausdauer zu verbessern, kannst du die letzten 10 Minuten deines Workouts für Konditionstraining reservieren. Dafür bieten sich verschiedene Aktivitäten an, z. B. Battle Ropes, Radsprints oder ein Cardio-Zirkel.
- Zur abschließenden Lockerung
Du hast gerade intensiveres Gewichtheben absolviert? Dann kann eine kurze leichte oder moderate aerobe Aktivität — zum Beispiel eine gemütliche Fahrradtour oder ein entspannter Spaziergang — die Regeneration fördern, rät Travis.
Sessions, in denen du Cardio dem Widerstandstraining vorziehen solltest
Je nachdem, welches Ziel du dir gesetzt hast, solltest du vielleicht erst einmal das aerobe Training von deiner To-do-Liste streichen, bevor du dich an die Gewichte machst.
1. Training für einen Ausdauerwettkampf
Trainierst du für einen Marathon oder einen Triathlon? Dann sollte Cardio an erster Stelle stehen. Das Widerstandstraining sollte deine Workoutroutine ergänzen, rät Travis. Studien haben gezeigt, dass Krafttraining unmittelbar vor einem hochintensiven Ausdauertraining die Ausdauerleistung beeinträchtigt. Das Krafttraining verringerte in diesen Studien die Messwerte für Muskelkraft und -stärke. Die Abnahme des Glykogens in den Muskeln (gespeicherte Energie) könnte auch die Ausdauer beeinflusst haben. Dies führte letztendlich zu einer schnelleren Ermüdung der Teilnehmer:innen. Wenn das Ausdauertraining auf das Krafttraining folgte, ermüdeten die Studienteilnehmer:innen beim Radfahren schneller, als wenn nur ein Cardio-Workout absolviert wurde.
(Verwandter Artikel: Alles, was du brauchst, um dich auf einen Triathlon vorzubereiten)
2. Als Warm-up
Eine kurze Cardio-Einheit ist ein hervorragendes Warm-up für das anschließende Gewichtheben, so Travis. Bevor du mit dem Cardio-Training beginnst, kannst du eine der folgenden Übungen fünf bis sieben Minuten lang ausführen:
- Rudern
- Radfahren
- Lockeres Laufen auf dem Laufband
- Gehen/Walken
Beim Aufwärmen mit Cardio steigt die Körpertemperatur und die benötigten Muskeln werden aktiviert, ohne dabei zu ermüden, erklärt Travis. Einfach ausgedrückt: Eine kurze Cardio-Einheit bereitet den Körper auf die bevorstehende harte Arbeit vor.
Text: Jessica Migala