Die Vor- und Nachteile täglicher Läufe
Aktivität
Ist tägliches Laufen gut oder schlecht für die Gesundheit? Das sagen Forschungsergebnisse und Expert:innen.
Zahlreiche Studien der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass es Vorteile hat, nach einem festen Zeitplan zu laufen. So kann sich regelmäßiges Laufen zum Beispiel positiv auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit, die Gehirnfunktion und sogar die Stimmungsregulierung auswirken – aber kann es auch zu viel werden? Ist es schlecht, jeden Tag zu laufen?
Wie bei jeder Frage in Zusammenhang mit dem Sport lautet die Antwort: Es kommt darauf an. Deine gesamte kardiorespiratorische Fitness, die Dauer und Intensität deiner Läufe sowie deine Regenerationsstrategien spielen eine Rolle dabei, ob tägliches Laufen gut für dich ist oder nicht. Für viele Menschen kann das tägliche Laufen ein Übertraining bedeuten, was wiederum ein höheres Risiko für Verletzungen durch Überlastung und Ermüdung mit sich bringt. Aber erfahrene Läufer:innen mit einem richtigen Programm und einer festen Routine können durch das tägliche Laufen ein Gefühl der Beständigkeit und des Fortschritts erhalten.
Woher weißt du, zu welcher Gruppe du gehörst? Hier erfährst du mehr über die Vor- und Nachteile des täglichen Laufens. So kannst du entscheiden, ob du täglich laufen oder ein paar Erholungstage in deine Routine einplanen möchtest.
Die Vorteile des täglichen Laufens
Jeden Tag zu laufen, was manchmal auch als "Laufserie" bezeichnet wird, bedeutet, dass du an aufeinanderfolgenden Tagen eine vorgegebene Strecke läufst, ohne einen Tag auszulassen. Schon kurze tägliche Läufe können Vorteile mit sich bringen.
Bessere Herzgesundheit und höhere Lebenserwartung
Bei der Frage "Kann ich jeden Tag laufen?" denken die meisten Menschen an einen Lauf über eine Strecke von mindestens zwei oder drei Kilometern, wahrscheinlich sogar mehr. Aber auch ein kurzer Lauf kann gut für Herz und Lunge sein.
Eine Studie aus dem Jahr 2014, die im Journal of the American College of Cardiology veröffentlicht wurde, ergab beispielsweise, dass nur fünf bis zehn Minuten langsames Laufen pro Tag (mit weniger als 10 km/h) mit einem geringeren Sterberisiko insgesamt und einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden ist.
"Der größte Vorteil des täglichen Laufens besteht darin, dass die aerobe Tätigkeit angeregt wird, die das Herz-Kreislauf-System stärkt", sagt Carol Mack, Physiotherapeutin, C.S.C.S., Coach für Krafttraining und Ärztin für Physiotherapie bei CLE Sports PT & Performance. Das liegt daran, dass das Laufen mit mehr gutem Cholesterin, weniger schlechtem Cholesterin, einer besseren Regulierung des Blutzuckerspiegels und einem besseren Blutdruck in Verbindung gebracht wird – allesamt entscheidende Faktoren für die Herzgesundheit.
Konsistenz schaffen
Es fällt vielen Menschen schwer, sich an körperliche Betätigung zu gewöhnen, so Mack. Besonders für neue Läufer:innen kann es schwierig sein, einen Zeitplan zu erstellen, der Konsistenz schafft. Jeden Tag laufen kann also eine gute Strategie sein, um schnell mehr langfristige Konsistenz zu entwickeln.
Noch besser? Jeden Tag zur gleichen Zeit laufen. Eine Studie in Exercise and Sports Sciences Review (2021), bei der untersucht wurde, welche Art von Training für Personen von Vorteil ist, die ein besseres Gewichtsmanagement anstrebten, ergab, dass eine konstante tägliche Trainingszeit die Einhaltung des Trainings insgesamt verbesserte, wobei morgendliches Training besonders hilfreich war.
Stressabbau
Es ist erwiesen, dass sich Sport positiv auf die psychische Gesundheit auswirkt und tägliches Laufen die Stimmung heben kann. Laut der American Psychiatric Association werden durch das Laufen "Wohlfühl"-Chemikalien wie Endorphine und Serotonin freigesetzt und es kann sogar das Wachstum neuer Gehirnzellen im Hippocampus fördern – dem Bereich des Gehirns, der mit Gedächtnis und Lernen verbunden ist.
Eine Studie aus dem Jahr 2023, die im Journal of Affective Disorders veröffentlicht wurde, verglich die Wirkung des Laufens mit Antidepressiva und stellte eine ähnliche Wirksamkeit zwischen den beiden Ansätzen zur Verringerung von Depressionen fest. Den Forscher:innen zufolge bietet das Laufen jedoch noch weitere Vorteile, wenn es darum geht, die allgemeine körperliche Gesundheit zu verbessern, Stress abzubauen und die Remissionsraten für Menschen mit Depressionen zu verlängern.
Das bedeutet nicht, dass Antidepressiva einfach weggelassen werden sollten, wenn sie bereits eingenommen werden, betont Lindsey Law, Ärztin und Psychiaterin bei Prairie Health in Colorado. Aber es zeigt, wie wichtig körperliche Aktivität, wie das Laufen, für die allgemeine psychische Gesundheit ist, sagt sie.
Nachteile des täglichen Laufens
Obwohl ein täglicher Laufplan seine Vorteile hat, gibt es auch einige nennenswerte Nachteile, besonders für Laufanfänger:innen.
Risiko von Verletzungen durch Überlastung
Der größte Nachteil beim täglichen Laufen ist, dass sich der Körper nicht richtig erholen kann, sagt Mack. Dies kann Probleme in Zusammenhang mit der ständigen Belastung von Muskeln, Knochen und Sehnen hervorrufen, die als Verletzungen durch Überlastung bezeichnet werden. Dazu gehören das Schienbeinkantensyndrom und die Plantarfasziitis bis hin zu Schleimbeutelentzündungen, Stressfrakturen, Achillessehnenentzündungen, dem patellofemoralen Schmerzsyndrom (auch Läuferknie genannt) und Muskelzerrungen.
"Es ist wichtig, mindestens einen Tag pro Woche eine Pause von jeder Art von intensivem Training einzulegen, wozu auch das Laufen gehört", fügt sie hinzu. "Die Fortschritte durch das Training werden eigentlich während der Regeneration erzielt, denn hier baut sich der Körper nach dem Workout wieder auf. Ist die Regenerationszeit nicht angemessen, steigt das Risiko einer Verletzung durch Überlastung deutlich an."
Übertraining wirkt sich nicht nur auf die körperliche Leistungsfähigkeit aus, sondern kann auch für dein Gehirn eine Herausforderung darstellen. Eine 2023 in Sports Medicine veröffentlichte Studie über die Auswirkungen von Übertraining auf die kognitiven Funktionen von Ausdauersportler:innen ergab, dass die Studienteilnehmer:innen eine verlangsamte Reaktionszeit, eine verminderte Aufmerksamkeit und sogar Probleme mit der Entscheidungsfindung und Problemlösung hatten.
Weniger Motivation zum Crosstraining
Wenn du täglich läufst, bist du laut Mack möglicherweise für andere Arten von Fitness weniger motiviert, insbesondere für Krafttraining. Auch dadurch kann dein Verletzungsrisiko steigen.
"Wenn du regelmäßig läufst, musst du mithilfe von Cross- und Krafttraining deine Knochen unterschiedlich belasten, da dies das Risiko von Stressfrakturen mindert", so Mack. Jeden Tag zu laufen, könnte deine Motivation für diese Art von Training mindern.
Verminderte Funktion des Immunsystems
Jede Form von Bewegung erzeugt eine Art vorübergehende Belastung für den Körper, der auch einen Anstieg von Entzündungen mit sich bringt, so Joshua Scott, Arzt und Sportmediziner in der Primärversorgung am Cedars-Sinai Kerlan-Jobe Institute in Los Angeles.
Dieser Wert gibt sich zwar schnell nach dem Sport, aber wenn die Belastung aufgrund fehlender Regenerationstage erhöht bleibt, kann dies mit der Zeit zu Problemen führen. Eine davon ist eine beeinträchtigte Funktion des Immunsystems, sagt er.
Untersuchungen der National Institutes of Health zeigen, dass dies geschieht, weil zu viel Training den Hormonhaushalt des Körpers stören kann, was zu einem chronischen Anstieg des Stresshormons Cortisol – das für die sogenannte "Kampf-oder-Flucht"-Reaktion zuständig ist – und zu einer unterdrückten Immunaktivierung führen kann.
"Eine gute Möglichkeit, um herauszufinden, ob dies der Fall ist, besteht darin, einfach zu beobachten, wie oft du dich ausgelaugt fühlst oder mit langwierigen Infektionen oder Krankheiten kämpfst", sagt Scott. "Zum Beispiel kann es länger dauern, bis eine Erkältung überwunden ist, und sogar oberflächliche Wunden wie Schürfwunden oder Kratzer heilen nicht mehr so schnell wie früher. Das sind alles Anzeichen dafür, dass dein Immunsystem möglicherweise mehr arbeitet als nötig."
Fazit
Die Erstellung eines auf deine Bedürfnisse abgestimmten Laufplans nimmt Zeit in Anspruch und beinhaltet eine schrittweise Steigerung von Dauer und Strecke, um Verletzungen durch Überlastung zu vermeiden. Für die meisten, wenn nicht sogar alle Läufer:innen, die mit täglichen Läufen beginnen möchten, ist es am besten, mindestens sechs Wochen lang an zwei oder drei nicht aufeinanderfolgenden Tagen pro Woche zu laufen, um den Körper auf die größere Intensität vorzubereiten, empfiehlt Scott.
Dann kannst du in Blöcken mit sechs bis acht Wochen Tage hinzufügen, je nachdem, wie es deinem Körper nach ein oder zwei Regenerationstagen geht. Jeden Tag zu laufen ist also nicht zwangsläufig schlecht für dich, aber wenn du sofort mit einer täglichen Trainingseinheit beginnst, riskierst du schnell Verletzungen.
"Hör wie bei jedem Fitness-Unterfangen auf deinen Körper und ruhe dich aus, wenn dein Körper dies braucht", sagt Scott. "Anzeichen für Übertraining können Reizbarkeit, Erschöpfung, häufigere Krankheiten und geringe Motivation sein. Wenn es dein Ziel ist, jeden Tag zu laufen, behalte diese Anzeichen im Hinterkopf und ändere deinen Zeitplan nach Bedarf."
Text: Elizabeth Millard