Solltest du trainieren, auch wenn du Schmerzen hast?

Sport und Bewegung

Expert:innen erklären dir, warum Muskelkater entsteht und geben Tipps, wie du dich richtig erholst.

Letzte Aktualisierung: 3. Januar 2024
9 Min. Lesezeit
Solltest du trainieren, auch wenn du Schmerzen hast?

Wenn du beim Trainieren nach dem Motto "Ohne Fleiß, kein Preis" lebst und das selbst dann, wenn du bereits ordentlich Muskelkater verspürst, dann betreibst du eine Gratwanderung zwischen enormen Gewinnen und möglichen Verletzungen.

Muskelkater ist nicht unbedingt ein Grund zur Besorgnis. Im Gegenteil, er ist sogar ganz normal, vor allem nach einem intensiven Workout. Allerdings ist es ein wahrer Balanceakt, ob du lieber noch ein paar Wiederholungen einbaust, Crosstraining machst oder dich vielleicht einen Tag erholst. Wenn du trotz Schmerzen trainierst, muss das nicht unbedingt zu weiteren Beschwerden führen. Vorausgesetzt, du erkennst noch den Unterschied zwischen einem typischen Muskelkater und ernstzunehmenden Schmerzsignalen. Außerdem ist es wichtig zu wissen, wie du deinem Körper Erholung gönnst, wenn Schmerzen auftreten.

Eines ist ganz sicher: Muskelkater solltest du nicht als Benchmark für deinen Fortschritt betrachten, sondern eher als ein wichtiges Warnsignal deines Körpers, dass du berücksichtigen solltest, wenn du weitere Workouts planst.

Warum bekommst du von deinem Workout Muskelkater?

Eine der häufigsten Schmerzformen, die sowohl Einsteiger:innen als auch Profis nach ihrem Workout erleben, ist der Muskelkater (Delayed Onset Muscle Soreness, DOMS) und das selbst ein paar Tage nach dem Workout. Dieser unterscheidet sich von akuten Muskelschmerzen, die du während eines Workouts aufgrund der Ermüdung deiner Muskeln verspüren kannst und die in der Regel eine Stunde nach Ende des Workouts wieder verschwinden.

Nick DiSarro, P.T., D.P.T., O.C.S., C.E.A.S. und Spezialist für orthopädische Physiotherapie räumt ein, dass die aktuelle Forschung das Entstehen von Muskelkater noch nicht vollständig erklären kann. Er erläutert, dass sehr wahrscheinlich mehrere Faktoren wie Entzündungen und mikroskopische Muskelrisse dafür verantwortlich sind. Die Zeiten, in denen man dachte, dass die Ansammlung von Milchsäure der Grund für Muskelkater sei, sind dank jüngster Forschungsergebnisse Geschichte.

Ein wichtiger Fakt ist jedoch, dass Schmerzen nicht der Gradmesser dafür sein sollten, wie erfolgreich dein Workout war. "Nur weil du Muskelkater hast, heißt das noch lange nicht, dass dein Workout effektiv war oder du es zu doll oder irgendwas falsch gemacht hast", erklärt DiSarro. "Entscheidend ist, wie du dich fühlst und was du aushältst."

(Verwandte Artikel: Du möchtest magere Muskelmasse aufbauen? Dann befolge diese Tipps)

Megan Steele, D.P.T., Trainings-Physiologin, Physiotherapeutin und Fakultätsmitglied der Mount Saint Mary’s University erklärt zudem, dass durch das Training hervorgerufene Muskelschäden am häufigsten in der konzentrierten Phase einer Übung auftreten, z. B. in der Kniebeuge. Muskelkater nach dem Training ist bei dieser Art von Bewegung wahrscheinlicher. Musstest du schon einmal nach einem Beintraining eine Treppe hinuntergehen? So fühlt es sich an.

"Muskelkater beim Sport entsteht, wenn kleine Muskelschäden, die auch als durch Training hervorgerufene Muskelschäden bezeichnet werden, und der damit assoziierte Entzündungsprozess aufgrund der mechanischen Überbelastung der Muskeln eintreten. Dieser Schmerz ist oftmals dumpfer und schmerzhafter und erstreckt sich über den gesamten Muskel", so Steele. "Das sind normale Anzeichen von Muskelkater."

Solltest du trainieren, auch wenn du Schmerzen hast?

Wie erkennst du, ob du dich verletzt oder nur Muskelkater hast?

Wenn Schmerzen nach einem intensiven Workout nichts Außergewöhnliches sind, wie unterscheidet sich Muskelkater von einer ernsten Verletzung? Wenn du nach einer Erholung oder Crosstraining (z. B. einer leichten Radtour) immer noch Schmerzen hast, kann das ein Zeichen dafür sein, dass du einen Erholungstag brauchst. Es gibt einige häufige Anzeichen dafür, dass es sich um einen normalen Muskelkater und nicht um eine Verletzung handelt. Dazu gehören das Abklingen des Muskelkaters nach 72 Stunden und wenn die Schmerzen nach der Erholungsphase aufhören.

Das verzögerte Auftreten von Muskelkater ist eines der wichtigsten Anzeichen dafür, dass es sich um Muskelkater und nicht um etwas Ernsteres handelt. Wenn Muskelschmerzen in den Tagen nach deinem Workout auftreten, kannst du davon ausgehen, dass es sich um Muskelkater handelt.

"Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen, wenn die Schmerzen etwas später auftreten", erklärt DiSarro. "Diese Symptome können zwischen 24 und 72 Stunden nach deinem Workout auftreten, [auch wenn] du in den ersten 12 bis 24 Stunden keinerlei Schmerzen hattest."

Wenn du dir aber nicht sicher bist, was du hast, ist es immer besser, auf Nummer sicher zu gehen und einen Erholungstag einzulegen oder deine:n Arzt:in oder eine ähnliche Fachperson aufzusuchen.

Solltest du ins Fitnessstudio gehen, obwohl du dich immer noch unwohl fühlst, kannst du dich eventuell an eine:n Physiotherapeut:in oder einen zertifizierten Coach wenden (einige Fitnessstudios bieten Tipps an, ohne dass du eine ganze Sitzung buchen musst), um verschiedene Muskelgruppen zu trainieren, die weniger vom Muskelkater betroffen sind. Das Fachpersonal kann dir auch leichte Dehnübungen und Bewegungen mit dem eigenen Körpergewicht zeigen.

Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass du Beschwerden in Gegenden hast, die überhaupt nicht Teil deines Workouts waren. Steele merkt an, dass du vielleicht Schmerzen im Core und in den Gesäßmuskeln hast, selbst wenn dein Workout für die Beine war. Wenn deine Symptome von stechenden oder plötzlichen Schmerzen begleitet werden (entweder im oder nach dem Workout), ist das laut Steele ein Indikator für mehr als nur Muskelkater.

Ein leichtes Ziehen ist bei Muskelkater normal, aber wenn du beim Erholen starke Schmerzen hast, ist es vielleicht an der Zeit, deine:n Arzt:in aufzusuchen. Normalen Muskelkater nach dem Sport erkennst du daran, wenn du konzentrierte Bewegungen ausführst, die die ermüdeten Muskeln belasten, zum Beispiel, wenn du dich hinsetzt.

"Einige [abnorme] Symptome können Schmerzen in Ruhephasen sein oder wenn wir unsere Muskeln nicht nutzen oder sie anspannen", sagt Steele.

Nicht nur bei Muskelkater, sondern auch bei Knochenverletzungen können dumpfe Schmerzen auftreten. Sprich auf jeden Fall mit deiner/deinem Arzt:in oder Sportmediziner:in über deine Beschwerden.

Solltest du trainieren, auch wenn du Schmerzen hast?

Wie kann man nach einem Workout Muskelkater lindern?

Da Muskelkater oftmals normaler Teil des Trainings ist, ist es wichtig, auf Regeneration zu achten. DiSarro erklärt, dass dies darin begründet liegt, dass Muskelkater "ein Anzeichen dafür ist, dass du dein Muskelgewebe belastest."

Die Forschung ist sich hinsichtlich des perfekten Regenerationsplans für Muskelkater noch uneins. DiSarro erklärt, dass eine gute Ernährung, ausreichendes Trinken und guter Schlaf deinen Muskeln helfen, sich zu erholen und langfristig leistungsfähig zu bleiben.

"Im Allgemeinen solltest du auf eine angemessene Erholungszeit zwischen den Workouts achten, wenn du gerade mit Workouts anfängst oder nach längerer Pause wieder damit anfängst", sagt DiSarro. "Das können dann Beweglichkeitsübungen, Stretchen, Walken, leichtes Cardio oder das Kräftigen anderer Körperregionen sein, während du dich von den vorherigen Workouts erholst."

Eine kleine Studie mit acht Teilnehmer:innen kam zu dem Ergebnis, dass Faszienrollen gegen Muskelkater helfen können. Steele empfiehlt diese Methode ihren Patient:innen. Außerdem gibt es gewisse Hinweise dafür, dass sich Muskelkater mit Massagen effektiv behandeln lässt, auch wenn es gegenteilige Meinungen dazu gibt.

Neben Faszienrollen können auch leichte Bewegungen ausprobiert werden, wenn sie machbar erscheinen. "Bei Schmerzen ist es am besten, den betroffenen Bereich mit leichten Bewegungen zu trainieren", sagt Dr. Todd Buckingham, Sportphysiologe und Gastprofessor für Sportwissenschaften an der Grand Valley State University in Michigan. Sanfte Bewegung fördert die Durchblutung der schmerzenden Muskulatur. Dies kann teilweise dazu beitragen, das Muskelgewebe von Stoffwechselprodukten zu befreien, die zu Muskelkater führen, erklärt er.

Sanfte Bewegungen helfen auch, Gelenksteifigkeit und Muskelverspannungen zu lindern, die häufig nach dem Training auftreten. Beispielsweise können einige Serien leichter Bodyweight Squats und Ausfallschritte helfen, verspannte Beine und Hüften zu lockern und die Regeneration des Unterkörpers am Tag nach einem anstrengenden Training im Fitnessstudio zu unterstützen.

Kann man mit Schmerzen sicher trainieren?

Die kurze Antwort lautet: Ja, vorausgesetzt, der Muskelkater beeinträchtigt dich nicht so stark, dass die Bewegungen nicht mehr richtig – und sicher – ausgeführt werden können. Muskelkater kann den Bewegungsspielraum bei einer Übung einschränken und zu einer Überkompensation oder Überlastung anderer Körperstrukturen führen, so Steele.

Muskelkater bedeutet, dass die Muskeln geschädigt sind, und mit geschädigten Muskeln zu arbeiten, kann das Risiko von Überlastungsschäden erhöhen. "Die Muskeln sind bereits in einem geschwächten Zustand, sodass ein Training möglicherweise nicht in der richtigen Form möglich ist und das kann wiederum zu Verletzungen führen", sagt Buckingham.

Ein seltenes, aber schwerwiegenderes Risiko beim Training mit Muskelkater ist die trainingsbedingte Rhabdomyolyse (Rhabdo), eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung, die durch Überanstrengung hervorgerufen werden kann. Wie Buckingham erklärt, entsteht Rhabdo, wenn Muskelgewebe übermäßig abgebaut wird und Muskelproteine in den Blutkreislauf gelangen, wo sie Herz und Nieren schädigen können.

Nach Angaben der Centers for Disease Control and Prevention ist Rhabdomyolyse bei Anfänger:innen, Marathonläufer:innen und Profisportler:innen aufgetreten, wenn auch selten. Häufige Symptome von Rhabdo sind dunkelbrauner Urin, starke Muskelschmerzen, Schwäche, Schwellungen und Blutergüsse. Es ist wichtig, bei diesen Symptomen sofort eine:n Arzt:in aufzusuchen.

Um das Risiko von Überlastungsschäden und Rhabdo zu verringern, sollte man schmerzenden Muskeln Zeit zur Erholung geben, bevor man sie erneut belastet.


Text: Ashley Lauretta und Lauren Bedosky

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Ursprünglich erschienen: 29. November 2023

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