Reicht Yoga als Krafttraining aus?
Coaching
Expert:innen zeigen, wo dir dieses Training für Körper und Geist helfen kann, Fortschritte zu machen, und wo es diese Erwartung nicht erfüllt.
- Mit Yoga kannst du Muskelkraft und Ausdauer steigern. Wenn du dich jedoch beim Krafttraining ausschließlich auf Yoga verlässt, solltest du es zumindest regelmäßig praktizieren.
- Du möchtest mit Yoga deine Kraft verbessern? Mit gezielten Posen, die du länger hältst, kommst du deinen Zielen näher.
- Du kannst ganz einfach Kraftübungen in deine Yogasessions einbauen, indem du zum Beispiel beim Krieger 2 mit deinen Armen kleine Auf- und Abbewegungen machst.
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Yoga ist alles andere als ein Trend. Im Gegensatz zu dem neuen Gym, das vor ein paar Monaten in deiner Stadt eröffnet wurde, gibt es Yoga nämlich bereits seit Tausenden von Jahren – und das aus gutem Grund. Wissenschaftlich ist beispielsweise erwiesen, dass Yoga bei der Angst- und Stressbewältigung hilft. Außerdem ist Yoga bekannt für seine positiven Regenerationseffekte und kann das Wohlbefinden steigern.
Aber kannst du auf das übliche Krafttraining verzichten, wenn du Yoga machst? Die kurze Antwort: Ja. Die etwas längere Antwort: Ja, aber es hängt davon ab, wie viel Muskelkraft du aufbauen möchtest und ob du bereit bist, etwas mehr Dynamik in deine Sessions zu bringen.
Die Macht der Matte
Laut Dr. John Porcari, Leiter des klinischen Sportphysiologieprogramms an der University of Wisconsin-La Crosse, kann Yoga sowohl die Muskelkraft (z. B. deine Fähigkeit, einen wirklich anstrengenden Back Squat zu machen) als auch die Ausdauer (deine Fähigkeit, mehrere Squats in Folge zu machen) fördern. In einer kleinen Studie unter der Leitung von Dr. Porcari, die in der Zeitschrift "American Council on Exercise" veröffentlicht wurde, konnten Frauen, die dreimal wöchentlich Hatha-Yoga machten, nach acht Wochen durchschnittlich sechs Push-ups und 14 Sit-ups mehr ausführen als Frauen, die kein Yoga gemacht hatten. Das klingt vielleicht nicht nach viel, aber wenn man bedenkt, dass sie kein anderes Widerstandstraining gemacht hatten, ist die Verbesserung ziemlich bemerkenswert.
Eine separate Studie ergab, dass Yoga zur Verbesserung der Kraft genauso wirksam sein kann wie das Training mit leichten Gewichten und Widerstandsbändern. "Yogaposen und -übergänge sind vergleichbar mit Körpergewichtsübungen zum Kraftaufbau. Außerdem ist das Halten von Posen eine Art isometrisches Training, bei dem man die beanspruchten Muskeln kräftigt, indem man sie länger unter Spannung hält", erklärt Studienautorin Dr. Neha Gothe, Leiterin des Labors für Sportpsychologie an der University of Illinois at Urbana-Champaign.
Nehmen wir zum Beispiel die Plank-Position, eine beliebte Übung zur Kräftigung der Schulter-, Brust- und Bauchmuskulatur. "Der übliche Übergang beim Yoga von der hohen Plank in die tiefe Plank (Chaturanga) trainiert die Schultern, die Brustmuskeln und den Trizeps", erklärt Dr. Porcari. Dann gibt es auch noch Übungen wie zum Beispiel das Boot (Navasana), die die Bauchmuskeln kräftigen, Yoga-Squats sowie Göttinnen- und Krieger-Posen, die deine Oberschenkel- und Gesäßmuskeln trainieren, merkt er an.
Aber Yoga kann deine Kraft nur bis zu einem gewissen Grad steigern. Vor allem deshalb, weil du irgendwann selbst bei den anstrengendsten Posen für Fortgeschrittene an deine Grenzen kommst – selbst wenn du dir immer schwierigere Übungen vornimmst (mehr dazu gleich).
Studien zeigen übrigens, dass Yoga das Gleichgewicht, die Flexibilität und Beweglichkeit verbessern kann, wovon du auch bei deinem Training profitierst. Selbst wenn du also regelmäßig im Kraftraum trainierst, könnten dir ein paar zusätzliche Yogaposen wie der herabschauende Hund guttun.
Wie du Yoga in deine Trainingsroutine integrierst
Wenn du Yoga ergänzend zu deiner Krafttrainingsroutine machst, zeigen laut wissenschaftlichen Untersuchungen bereits zwei Stunden pro Woche positive Effekte. Wenn aber Yoga dein einziges Krafttraining ist, werden dir zwei Stunden nicht reichen. "Yoga bringt dir maximalen Nutzen, wenn du es fünf Tage in der Woche machst und dich bei den Posen wirklich pushst", so Dr. Porcari. Je häufiger du Yoga praktizierst, desto wahrscheinlicher ist es, dass du deine Muskelkraft von Woche zu Woche steigerst und Fortschritte machst.
Wie beim Gewichtheben gilt auch beim Yoga das Prinzip der progressiven Belastungssteigerung, d. h., mit zunehmendem Muskelaufbau steigerst du auch die Belastung. Aus diesem Grund begann das Yogaprogramm in Dr. Gothes Studie mit einfachen Bewegungen, die im Laufe der Wochen immer schwieriger wurden. "Wir befolgten dabei ähnliche Prinzipien wie beim herkömmlichen Krafttraining und erhöhten die Anzahl der Sätze und Wiederholungen bzw. verlängerten die Dauer, in der eine Pose gehalten wurde", erklärt Dr. Gothe.
Unabhängig davon, ob du ausschließlich Yoga praktizierst oder es zusätzlich zu deinem Krafttraining im Gym machst: Die folgenden Tipps helfen dir, noch effektiver zu trainieren.
1. Nimm die Muskeln, die du trainierst, bewusst wahr.
"Wenn du dich auf eine Muskelgruppe konzentrierst, kannst du sie noch mehr aktivieren", erklärt Dr. Porcari. Und mehr Muskelaktivierung bedeutet mehr Kraftaufbau. "Wenn du deine Posen konzentriert und bewusst ausführst, nutzt du quasi dein Biofeedback und spürst ganz genau, wie sich dein Körper fühlt und wie hart er arbeitet. Entsprechend kannst du dein Yogatraining anpassen." Beim Halbmond beispielsweise könntest du dich darauf konzentrieren, wie deine Gesäßmuskeln arbeiten, und fühlen, wie intensiv sie beim Halten des Gleichgewichts gefordert werden.
2. Führ die Yogaposen korrekt aus.
Du kannst eine Pose wie beispielsweise den Stuhl andeuten – oder ganz korrekt ausführen. "Manche gehen bei dieser Übung nicht wirklich tief in die Kniebeuge, was die Gesäß- und Oberschenkelmuskeln nur bis zu einem gewissen Grad fordert. Andere hingegen beugen ihre Beine im 90-Grad-Winkel und können somit die Effekte dieser Pose maximal nutzen", sagt Porcari. Das gilt auch für jede andere Yogapose. Stell ganz einfach sicher, dass du so weit wie möglich in die verschiedenen Haltungen gehst.
3. Halte die Pose genau da.
Je länger du die Posen im Yoga hältst, desto mehr werden deine Kraft und Ausdauer gefordert, so Dr. Porcari. Je länger Muskeln unter Spannung stehen, desto größer die Muskelermüdung. Genau das fördert den Kraftaufbau deiner Muskeln. Es ist genau wie beim Krafttraining: Wenn es sich einfach anfühlt, bringt es deinen Körper wahrscheinlich nicht dazu, sich anzupassen.
4. Folge deinem eigenen Flow.
Werde kreativ, wenn du dich mehr fordern und Fortschritte machen willst. Du kannst zum Beispiel im Chaturanga zwei oder drei schnelle Push-ups machen oder beim Krieger 2 mit deinen ausgestreckten Armen kleine Auf- und Abbewegungen durchführen. Hör auf deinen Körper und integrier deine eigenen fordernden Kräftigungsvarianten in deinen Flow. "Schon die Veränderung des Winkels der Schultern oder Hände kann andere Muskeln aktivieren", erklärt Dr. Porcari.
Apropos fordernde Kräftigungsvarianten: Wie sieht es da mit deinem wichtigsten Muskel, nämlich deinem Gehirn, aus? "Durch das Halten und Wiederholen von Posen oder Flows, die dir schwerfallen, lernst du, dich selbst zu pushen", so Dr. Porcari. "Das überträgt sich auf jede andere Fitnessaktivität." Namaste dazu.
Text: Caitlin Carlson
Illustration: Xoana Herrera
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