Wie viel Wasser brauchen Läufer:innen wirklich?

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Spoiler: Eventuell mehr, als du denkst

Letzte Aktualisierung: 28. Oktober 2021
9 Min. Lesezeit
Wie viel Wasser brauchen Läufer wirklich?

Wasser gehört zu den Grundbedürfnissen unseres Lebens, und doch trinken die meisten von uns nicht genug davon – besonders Läufer:innen. Normalerweise trinkst du, wenn du durstig bist, oder? Beim Sport wird die Sache mit der Flüssigkeitsaufnahme allerdings etwas komplexer. Hier erklären Expert:innen, warum die richtige Menge Wasser so wichtig für erfolgreiche Läufe ist und wie du sicherstellen kannst, dass du ausreichend mit Flüssigkeit versorgt bist, um die Strecke zu schaffen.

Wie du Flüssigkeit verlierst

Vorweg ein kurzer Ausflug in die Biologie: Beim Laufen verlierst du durch Schwitzen und Atmen Flüssigkeit, also Wasser, – vor allem durch Ersteres. "Muskeln in Aktion produzieren Wärme", erklärt Monique Ryan, zertifizierte Ernährungsberaterin mit Schwerpunkt Sporternährung. Sie berät seit über 25 Jahren Leistungs- und Ausdauersportler:innen sowie Sportmannschaften. "Je mehr Wärme produziert wird, desto höher steigt die Körpertemperatur, was der Körper durch Schwitzen ausgleicht."

Mithilfe von Schweiß reguliert deine Körper seine Temperatur, erklärt Ryan. Durch die Verdunstung des Schweißes wird nämlich die Haut gekühlt und daher solltest du ihn auch möglichst nicht wegwischen, so sehr du das auch möchtest. Um diesen Vorgang aufrechtzuerhalten, musst du dich ausreichend mit Wasser versorgen. "Wenn der durch das Schwitzen entstandene Flüssigkeitsverlust nicht ausgeglichen wird, steigt die Körpertemperatur weiter und das Training fällt immer schwerer", so Ryan.

"Wenn der durch das Schwitzen entstandene Flüssigkeitsverlust nicht ausgeglichen wird, steigt die Körpertemperatur weiter und das Training fällt immer schwerer."

Monique Ryan
Zertifizierte Ernährungsberaterin mit Schwerpunkt Sporternährung

Schauen wir uns das einmal genauer an. Wenn du schwitzt, werden deine Muskeln mit weniger Blut als üblich versorgt, erklärt Ryan. Das liegt daran, dass ein großer Teil des Blutes von den arbeitenden Muskeln zur Haut umgeleitet wird, um den Vorgang des Schwitzens zu unterstützen. Mit weniger Blutfluss können deine Muskeln einfach nicht so lange so intensiv arbeiten, so Ryan weiter. Außerdem hat dein Herz schwerer daran zu arbeiten, das verbleibende Blut in Bewegung zu halten, was dein Herz-Kreislauf-System belasten und deine Herzfrequenz in die Höhe treiben kann. All das kann dazu führen, dass sich dein üblicher lockerer 5-km-Lauf megaanstrengend anfühlt.

Was das Ganze noch schlimmer macht? Das Wetter. Wenn die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit steigen, kannst (und wirst) du wahrscheinlich durch Schwitzen noch mehr Flüssigkeit verlieren. Die Sache mit der Temperatur ist offensichtlich: Je höher deine Körpertemperatur, desto mehr muss sich dein Körper abkühlen. Wenn dann noch eine Luftfeuchtigkeit von 40 Prozent dazukommt, kann der Schweiß nicht mehr richtig verdunsten und das natürliche Kühlsystem gerät an seine Grenzen und führt dazu, dass du noch mehr schwitzt, erklärt Ian Klein, Spezialist für Trainingsphysiologie, Crosstraining und Verletzungsprävention an der Ohio University.

Die einfachste Lösung, um dafür zu sorgen, dass sich deine Läufe immer locker anfühlen? Immer auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten, so Brian St. Pierre, Ernährungsberater und Leiter für Ernährung bei Precision Nutrition.

Wie viel Wasser brauchen Läufer wirklich?

Anzeichen für eine Dehydrierung

Wenn du bei der Flüssigkeitszufuhr alles richtig machst, spürst du eigentlich gar nichts. Das Laufen fühlt sich ganz normal an. Erst wenn du zu wenig trinkst, merkst du den Unterschied. Deine Konzentration und dein Fokus könnten beeinträchtigt werden, dein Herz könnte schneller schlagen als normal und, wie bereits erwähnt, dein Lauf könnte sich anstrengender anfühlen als sonst, so Ryan.

Je länger du damit wartest, deinen Flüssigkeitsspeicher wieder aufzufüllen, desto stärker werden die Symptome. Wenn du merkst, dass du nicht mehr so gut atmen kannst, dein Herz schneller schlägt als ein Technobeat und/oder dass dir schwindelig wird und du müde oder sogar verwirrt bist, können das Anzeichen für einen Hitzschlag sein. Diese Situation solltest du auf jeden Fall vermeiden, denn sie kann Gehirn, Herz und innere Organe dauerhaft schädigen. Das heißt (du kannst es dir bereits denken): Achte auf eine regelmäßige Flüssigkeitszufuhr.

Wie wirkt sich eine Dehydrierung auf das Laufen aus?

Du findest, Durst ist beim Laufen oder bei einem Wettkampf eher lästig? Dann denk daran: Die richtige Flüssigkeitszufuhr hat direkten Einfluss auf dein Tempo und auf dein Wohlbefinden.

Wenn du mehr als 2 Prozent deines Körpergewichts durch Flüssigkeit verlierst, kann dies laut wissenschaftlicher Studien deine Ausdauer beeinträchtigen. Du meinst, das kann dir nie passieren? Hier ein kurzes Rechenbeispiel: Angenommen, du wiegst 65 kg. Dann darfst du also nicht mehr als 1,3 Liter Flüssigkeit verlieren. Doch das ist an einem warmen Tag und/oder bei einem schnellen Lauf schnell passiert. Andere Studien zeigen, dass durch eine Dehydrierung die RPE (Rate of Perceived Exertion), die sogenannte Borg-Skala, ansteigt. Das Ergebnis ist klar: Wenn das Training schwerfällt, leidet die Performance. Laut einer Studie im Journal of Athletic Training kennen 70 Prozent der Läufer:innen mindestens eine Situation, in der sie das Gefühl hatten, dass sie durch Dehydrierung deutliche Leistungseinbußen hinnehmen mussten.

Bei einem niedrigen Flüssigkeitspegel stehen dem Körper auch weniger Elektrolyte und Mineralstoffe wie Natrium, Kalium, Kalzium, Chlorid und Magnesium zur Verfügung. "Die Muskeln brauchen diese Elektrolyte, um gut zu funktionieren", so Ryan. Sie transportieren Nährstoffe in und Abfallstoffe aus den Zellen und helfen bei der Regulierung der Nerven- und Muskelfunktionen. Dazu gehört auch dein Herz. Und all diese Aspekte haben direkten Einfluss auf deine Performance.

Wie viel solltest du idealerweise trinken?

Es kann zwar schwerwiegende Folgen haben, wenn du beim Laufen zu wenig trinkst, aber du solltest dich deswegen auch nicht zu sehr stressen. Wenn du immer trinkst, sobald du durstig bist, beugst du zumindest der Gefahr einer Dehydrierung vor.

Wenn du dir aber lieber feste Ziele setzt, haben wir hier ein paar Zahlen für dich: Laut eines Berichts nehmen ausreichend hydrierte Frauen täglich etwa 2,5 Liter Wasser in Form von Getränken und Nahrungsmitteln zu sich. Bei Männern sind es 3,5 Liter. Etwa 80 Prozent davon sind Getränke, vor allem Wasser, die anderen 20 Prozent sind wasserhaltige Nahrungsmittel, wobei sich hier vor allem Obst und Gemüse anbieten.

Diese Zahlen beziehen sich auf eine(n) durchschnittliche(n) US-Amerikaner:in. Wenn du sehr viel läufst, schwitzt du möglicherweise auch mehr und musst daher mehr Flüssigkeit einkalkulieren.

Du solltest die Flüssigkeit, die du beim Schwitzen verlierst, nach Möglichkeit sofort ersetzen. "Wenn du länger als eine Stunde trainierst, solltest du pro Stunde etwa 0,7 bis 0,9 Liter Flüssigkeit zu dir nehmen", empfiehlt Ryan Maciel, Head Performance-Nutrition Coach bei Precision Nutrition. Das sind etwa 0,2 Liter alle 15 bis 20 Minuten. Trink kleine Schlucke. Wenn du zu viel oder zu schnell trinkst, kann es zu Magenproblemen kommen, ergänzt Maciel.

Auch nach dem Training solltest du das Trinken nicht vergessen. Um herauszufinden, wie viel du trinken musst, wieg dich etwa eine Stunde vor und nach dem Training, empfiehlt Maciel. "Wenn du 500 Gramm verlierst, solltest du 0,5 Liter trinken", erklärt er. Wenn du mehr verlierst, trink in den ersten Stunden nach dem Lauf entsprechend mehr.

Auch die Farbe deines Urins zeigt dir, ob du mehr Flüssigkeit brauchst. "Ist der Urin dunkel, musst du mehr trinken. Ein hellgelber oder fast farbloser Urin weist auf einen guten Flüssigkeitshaushalt hin."

Wie viel Wasser brauchen Läufer wirklich?

Tipps für die Mitnahme von Wasser

Sich beim Training ausschließlich auf öffentlich zugängliche Wasserstellen zu verlassen, ist schwierig und auf vielen Strecken unmöglich. Während des gesamten Laufs eine Wasserflasche in der Hand zu halten, ist auch nicht empfehlenswert, besonders bei intensiven, schweißtreibenden Läufen. Aber es gibt ein paar gute Lösungen: Flaschen, die du mit einem Band am Handgelenk befestigst. Flaschengürtel, mit denen du das Gewicht auf deiner Hüfte verteilst. Westen mit Brusttaschen für Wasserflaschen. Oder Trinkblasen mit Schlauch, die du auf dem Rücken trägst. Falls du in deiner Stadt läufst, könntest du auch Freunde bitten, an bestimmten Stellen deiner Strecke mit Wasser auf dich zu warten.

Achte auf deine Haltung und versuch, sie auszugleichen, indem du die Flasche mal in der einen, mal in der anderen Hand trägst oder die Seite, auf der sich die Flasche in deinem Trinkgurt befindet, immer wieder wechselst. Wenn du mehrere kleine Flaschen mitnimmst, trink nicht erst eine Flasche leer. Und in Trinkblasen solltest du immer nur so viel Wasser mitnehmen, wie du für dein Training brauchst.

Wann brauchst du zusätzliche Elektrolyte?

Du läufst weniger als zwei Stunden? Dann brauchst du nur ausreichend Wasser, empfiehlt Maciel. Wenn du länger unterwegs bist oder wenn es extrem heiß ist und du viel schwitzt, musst du die verlorenen Elektrolyte allerdings ausgleichen.

Viele Läufer:innen trinken deshalb spezielle Sportgetränke. Andere bevorzugen Gele oder Kaubonbons. Es gibt nicht die eine perfekte Methode. Probier einfach aus, was für dich am besten funktioniert. Und denk daran: Mehr ist nicht unbedingt besser, wenn es um Ergänzungsmittel geht.

Am Wettkampftag genug trinken

Um dich optimal vorzubereiten, solltest du schon beim Training darauf achten, immer ausreichend zu trinken. Das gilt vor allem für die Wochen vor einem Wettkampf, erklärt Maciel. "Es bringt nichts, am Abend vor dem Rennen literweise Wasser in sich reinzuschütten, wenn man ansonsten während des Trainings generell zu wenig Flüssigkeit zu sich genommen hat." Das führt oft nur dazu, dass du ständig eine Toilettenpause einlegen musst. Mit anderen Worten: Wenn du während des Trainings immer leicht dehydriert warst, bist du nicht so fit, wie du eigentlich sein könntest.

Wie viel du auf einer Strecke trinken solltest, hängt von der Dauer des Laufs ab. Wenn du weniger als eine Stunde läufst – also beispielsweise 5 oder 10 Kilometer –, musst du wahrscheinlich gar nicht trinken. Wenn du länger läufst, erstelle dir ein Trinkprotokoll. Als Richtwert empfiehlt Maciel 0,7 bis 0,9 Liter pro Stunde.

Bei Wettkämpfen gibt es an der Strecke oft Trinkstationen, du musst also normalerweise keine Flüssigkeit mitnehmen. Auf vielen Wettkämpfen ist das sogar verboten. Zur Auswahl stehen meistens Wasser und ein Sportgetränk. Sieh dir zur Vorbereitung den Streckenplan an. Hier siehst du, wie weit diese Stationen voneinander entfernt sind, und kannst deine Trinkstrategie entsprechend planen. Achte darauf, ob die Angaben in Meilen oder Kilometern erfolgen. 5 Meilen sind wesentlich mehr als 5 Kilometer. Ach ja, und tu dir selbst einen Gefallen: Trink nichts, was du beim Training nicht ausprobiert hast und von dem du daher nicht weißt, ob du es verträgst.

Egal, ob Trainingslauf, die tägliche Runde durch die Nachbarschaft oder großer Wettkampf – dein Motto sollte lauten: Nur wer genug trinkt, kann entspannt laufen.

Text: Ashley Mateo
Illustration: Xoana Herrera

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Ursprünglich erschienen: 30. Oktober 2021